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Herbert Grönemeyer über "Zur Nacht":
Der Versuch eines Schlaflieds. Das ist das Lied zur Guten Nacht, weil, die ist ja so gut. Was tut die einem Gutes, nämlich, dass man da abschalten kann. Das ist so ein bisschen das Spiel mit der Guten Nacht. Warum heißt die eigentlich die Gute Nacht? Da habe ich mal drüber nachgedacht. Was tut die eigentlich? In der kannst du alles geben. Generell, wenn du in diesem Wahn lebst, dann schließt das auch an „Kopf hoch, tanzen“ an. Es ist jetzt mal gut. Du wirst immer leerer. Du pumpst dich leer. Mach dich nicht kirre. Weil, du hast ja das Glück, es kommt die Gute Nacht, die nimmt dir alles weg, den ganzen Mist, der sich aufgestaut hat und auch deine eigenen Schuldgefühle. I don’t do guilt anymore, wie die Engländer so schön sagen. Aber auch der Versuch eines Schlaflieds. Ich hab noch nie eines geschrieben. Bei Konzerten habe ich dann immer „Der Mond ist aufgegangen“ gesungen. Die Musik bot sich auch an, weil es eine stille Ballade ist. Ich wollte jetzt nicht wieder ein Liebeslied schreiben. Ich dachte, es wäre auch ein schönes Gute-Nacht-Lied. Dann habe ich da rumgebastelt und zur Guten Nacht fand ich irgendwie gut. Sie kümmert sich auch. Der Abend, wenn man sich sagt, ist jetzt mal gut. Gerade die Platte hat extrem viele Nerven gekostet, alles, was da so dazu kommt. Dann habe ich mich abends immer gefreut und mir gesagt, jetzt hör auf und entspann dich mal. (…) Ich mach die Musik immer komplett fertig. Die muss sogar soweit fertig sein, dass ich keine Ausrede mehr habe, nicht zu texten. Das ist für mich ein extremer Kampf, jedes Mal. Ich kann mir vor einer Platte nicht vorstellen, dass ich überhaupt einen Text zustande kriege, weil es für mich jedes Mal so ein Berg ist, wo ich denke, diesmal kommst du wirklich nicht hoch. Das wird auch mit zunehmendem Alter nicht einfacher, ehrlich gesagt. Ich setze mir deswegen auch wie im Theater einen klaren Termin. Wenn ich keinen Termin zur Premiere hätte, der jetzt eben ist, dann würde ich eine Platte auch nie fertig machen. Dann hätte ich immer andere Sachen. Dann würde mir ständig was Neues einfallen. Ich würde neue Nummern schreiben. Ich würde quasi nie aufhören. So weiß ich, du musst fertig werden. Du musst texten, mit dem großen Risiko, dass du nur Grütze schreibst. Diesen Druck brauche ich einfach. Die Musik ist immer fertig, obwohl ich diesmal schon wesentlich früher angefangen habe, Themen zu sammeln. Ich merke, je älter ich werde, den Druck, den ich mir aufbaue, dass der an den Rand des Irrsinns geht. Es wird dann doch schwieriger. Früher habe ich dann doch im positiven Sinne naiver, Platten schneller gemacht, mir auch gar nicht mehr viele Gedanken gemacht. Deswegen sind so Lieder wie „Kopf hoch“, auch dieses Denken abzuschalten. Wie schaffst du es auch beim Texten nicht zu viel zu denken, dass du dich nicht verschraubst? Ich wollte der Platte auch eine Lebensfreude geben und sie hat viel Musik, ist dicht und hat aber auch etwas Leichtes. Außer vielleicht „Marlene“. Das ist sicherlich kein ganz einfaches Lied. Aber grundsätzlich denke ich, ist es sehr lebensbejahend. Das hier war immer ein Lied: Leg dich hin und jetzt ist gut.
Rick
vor 18 Jahren / 129.Übrigens, dieses Lied mit Ironie zu sehen, bringt viel mehr und wäre auch typisch Grönemeyer, auch wenn er es bei diesem Stück anders sieht.
Menschen, die nur noch auf Reserve laufen, und meinen, sie sind noch voll im Leben. Dann der Refrain: "Das ist das Lied zur guten Nacht, zieh den Stecker raus", dieser in der Stimme depressiv klingender Lösungsvorschlag(Singleversion) entspricht überhaupt nicht Grönemeyers Mentalität und schlägt deshalb umso mehr ein. Das es dann auf der Albumversion wirklich wie ein Schlaflied klingt und dann auch noch ernst gemeint so beabsichtigt ist, nimmt dem Stück seine Zweideutigkeit und damit auch seinen Reiz.
Gib Dämonen deine Pflicht ... und sie kümmern sich. Na dann: Gute Nacht!