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Alt 16.05.2007, 13:53   #1
Blondie
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11.05.2007 - Herbert am Telefon (2007)

Interview aus der Leipziger Volkszeitung am 11.05.2007:

„Globalisierung ist Haifischtum“

Interview mit Herbert Grönemeyer: Der Sänger, Komponist und Popstar gastiert am 24. und 25. Mai in Leipzig

Deutschlands erfolgreichster Popstar kommt nach Leipzig: Am 24. und 25. Mai gastiert Herbert Grönemeyer (aktuelle CD: „12“) im Zentralstadion. Für diese Zeitung, die die Konzerte präsentiert, griff er vorab in London zum Telefon.
Frage: Wo in Ihrer Wahlheimat London ist Ihr Lieblingsplatz?
Herbert Grönemeyer: Der Primrose Hill Park. Dort gibt es einen Hügel, von dem aus man über die Stadt sehen kann. Angeblich trafen sich da früher die Druiden.
Kann man den Himmel über Deutschland besingen, wenn man ihn nur selten sieht?
Das kann man schon. Erstmal habe ich 43 Jahre lang dort gelebt. Und einmal monatlich bin ich in Deutschland. Natürlich ist die Sichtweise etwas anders, als wenn ich tagtäglich dort leben würde.
Was können Deutsche von den Briten lernen?
Nicht alles hier ist positiv. Aber wovon man lernen kann, ist die Selbstironie der Briten. Außerdem sind sie es durch die Geschichte, ihre alte Demokratie und durch die Art, wie ihre Regierung mit ihnen umspringt, gewohnt, viel Eigeninitiative zu entwickeln.
Sie haben gesagt, über Gerhard Schröder könne man nicht singen. Wie ist es mit Angela Merkel?
Schröder wollte einfach mal an die Macht. Ich glaube, es hat ihn nicht groß interessiert, was er bewegt. Angela Merkel präsentiert sich gut und geht mit all den Männern klug um. Das hat sie wohl beim Durchbeißen in der CDU gelernt. Aber nach innen, glaube ich, die Menschen wissen nicht so genau, woran sie bei ihr sind. Sie bleibt blass, das ganze Kabinett farblos. Ich vermisse auch, dass sie klarmacht, aus welcher Kultur sie kommt, welche Sozialisierung sie hat – mit allem Für und Wider. Sie könnte präsentieren, was die Deutschen im Osten für eine Qualität und Dynamik mitbringen. Sie versucht einen Spagat zwischen den Welten, statt authentisch zu sein.
Sie sagen, die Menschen im Osten fühlten sich nicht wahrgenommen. Ist das sozialer Sprengstoff, oder erwartet die nicht bewältigte Wiedervereinigung eine biologische Lösung?
Das ist Sprengstoff. Ich war Schirmherr einer psychiatrischen Klinik bei Magdeburg. Der ärztliche Direktor hat erzählt, dass er sich nach der Wende von seinen Westkollegen wegen unterstellter Systemtreue wie vor Gericht gestellt fühlte. Vieles ist bis heute unausgesprochen, ungeklärt. Da sind Gräben zwischen West und Ost, die sich nicht einfach so verlaufen. Es ist schade, dass bei der Wiedervereinigung die Gelegenheit verschleudert wurde, dass sich beide Seiten ergänzen.
Ohne Druck, sich mitteilen zu wollen, geht keiner auf eine Bühne. Wie hat sich dieser Druck in den über 20 Jahren bei Ihnen verändert?
Die Motivation ist die selbe geblieben. Man möchte das gemeinsame Erlebnis Konzert spüren, in die Gesichter sehen, wenn man singt und Reaktionen fühlen. Ich empfinde es als großes Glück, dass überhaupt Leute kommen. Der Rest ist eher monomanisch. Im Studio zu sein, finde ich relativ öde.
Sie sagen: Eine gute Musik transportiert jeden Text. Ist das britische Leichtigkeit, oder nehmen die Fans Ihre Texte wichtiger als Sie selbst?
Meine Texte sind mir extrem wichtig, darum gebe ich mir auch so viel Mühe, weil ich weiß, ein schwächerer Text macht mir meine Musik kaputt. Ich finde Deutsch und unsere Sprachverliebtheit gut, aber man sollte nicht jeden Satz so sezieren, dass er keine Luft mehr kriegt.
Was ist Erfolg für Sie?
Erfolg messe ich daran, wenn ich Menschen treffe, die mir sagen, die und die Platte hat ihnen etwas gegeben.
Wie hat Ihnen ein Song wie „Der Weg“ dabei geholfen, mit der Trauer um Ihre Frau und Ihren Bruder umzugehen?
Die ganze Platte „Mensch“ hat mir dabei geholfen. Wenn es mir schlecht ging, habe ich Musik gemacht. „Der Weg“ versucht positiv zu enden, mit dem Aufbruch in eine neue Zeit. Trauer heißt, Schmerz umzuwandeln in eine Narbe, die zu einem Teil von einem wird, damit prägt und einen auch stärkt. Das braucht seine Zeit und ist auch nicht immer nur mit Traurigsein verbunden.
Welcher Geburtstag war schlimmer, der 30. oder letztes Jahr der 50.?
Der 40., weil damals meine Frau krank war. Der 50. war schön, ausschweifend und fröhlich.
Und wie alt fühlt man sich, wenn Tokio Hotel sagen, sie seien mit Herbert Grönemeyer aufgewachsen?
Das finde ich lustig. Mir dräut das Alter nicht als Drama.
Sie sagen, Sie würden immer besser. Viele wollen aber vor allem die Stücke von „Bochum“ hören – ein Widerspruch?
Ich habe nichts gegen ,Bochum’, obwohl ich auch danach noch ein paar vernünftige Stücke geschrieben habe … Wichtig ist nur, dass auf jeder Platte Lieder drauf sind, die Leuten etwas bedeuten. Und das merke ich live.
Hat Ihr Engagement zur Entschuldung der Dritten Welt Ihre Ansicht vom Sinn des Lebens verändert?
Es hat ihm nur etwas hinzugefügt. Es ist der Versuch, aus meinen Möglichkeiten als öffentliche Person was herauszukitzeln, statt nur auf dem Hügel zu sitzen.
Gibt die Globalisierung Afrika eine Chance?
Globalisierung ist Haifischtum. Bis Afrika etwas davon hat, haben die großen Fische schon viel abgegrast. In dieser ganzen Hysterie sollte man aber wenigstens darauf achten, dass der Reichtum so verteilt wird, dass jeder sich ernähren und zur Schule gehen kann und nicht an heilbaren Krankheiten sterben muss. Die Globalisierung ist nicht aufzuhalten, aber wenn sie schon losziehen, machen wir ihnen wenigstens ein schlechtes Gewissen. Auf kurz oder lang werden die Menschen begreifen, dass es allen gemeinsam besser geht, wenn etwas abgegeben wird. Reich sein ist nicht mehr besonders cool. Interessant werden die Menschen, die bei ihrem eigenen Wohlergehen andere nicht vergessen.
Sie organisieren ein Festival im Umfeld des G8-Treffens. Worum geht’s?
Die gehen ja bewusst in Gegenden, wo keiner ist. Aber wir sind da! Und wir veranstalten eine Kundgebung mit Reden, Filmen und Bands aus den P8-Staaten, den ärmsten Ländern. Wir wollen den Mächtigen vor Ort das Gefühl geben, dass wir ihnen auf die Finger gucken.
Interview: Ingolf Rosendahl
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