Zurück   Herbert Grönemeyer Forum » Allgemeines zu Herbert Grönemeyer » Aktuelle Medienberichte 2022 - 2024 (rund um DAS IST LOS) » Medienberichte 1978 - 2001 (rund um BLEIBT ALLES ANDERS & früher)

 
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 14.01.2013, 13:30   #1
lucasjenke
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 01.01.2013
Ort: Kleve, Nordrhein Westfalen
Beiträge: 26
lucasjenke befindet sich auf einem aufstrebenden Ast
Musikexpress Interview (1986)

Habe hier ein Interview gefunden von Herbie aus dem Jahre 1986 . Da es nur im kostenpflichtigen Archiv des Musikexpresses verfügbar ist kopiere ich es euch einfach mal hier rein
Ich hoffe ihr habt ein wenig Spaß das zu lesen

Werde es wohl in 2 Teilen hier rein kopieren sonst hat es zu viele Zeichen


ME/SOUNDS: Bevor das neue Album SPRÜNGE erschien, wurde es schon einmal umgetauft. Warum?

GRÖNEMEYER: "Ursprünglich sollte die Platte HOI heißen. Das ist, wie ich von Reisen weiß, ein Willkommensgruß in der Schweiz und in Holland. Mir gefiel dieser Titel gerade deshalb so gut, weil er keine tiefere Bedeutung hat. Hierzulande wird ja alles gerne mit Sinn überfrachtet.

Als aber kürzlich Skinheads durch Gewalttätigkeiten Schlagzeilen machten, erinnerte mich HOI zu stark an deren Schlachtruf "Oi Oi". Einer solchen Assoziation wollte ich auf gar keinen Fall Vorschub leisten..."

ME/SOUNDS: Wie würdest du als Urheber — die musikalische Entwicklung von BOCHUM zu SPRÜNGE beschreiben?

GRÖNEMEYER: "SPRÜNGE ist sicherlich eine Fortführung von BOCHUM, ausgereifter, mit der Erfahrung von zwei Jahren im Rücken, aber musikalisch nicht etwas völlig anderes. Textlich bezieht es sich stärker als BOCHUM auf nationale Phänomene, auf die politische und soziale Großwetterlage: mit Liedern über das neue deutsche Lächeln, den Hang zur Verinnerlichung, der allgemeinen Angst usw.

Nimm z.B. die sogenannten Yuppies —- deren adrettes Äußeres, deren erfolgsorientiertes Handeln ist doch letztlich nur die Gegenreaktion auf die 60er Generation, die angeblich den Protest für sich gepachtet hatte. Das dauernde , Was haben wir alles gemacht'-Gerede der 68er-Eltern ist -— wenn man's überzogen sieht -— nichts anderes als das Gerede unserer Eltern vom Krieg.

Ein Lied handelt von dem neuen deutschen Nationalgefühl Leistung: ,Wir sind wieder wer!', ,Es geht voran' ... Vor diesem eigentlich amerikanischem Prinzip, vor den Einzelkämpfern a la Rocky und Rambo, vor der Maxime des 'Jeder kann es schaffen' habe ich berechtigte Angst. Diejenigen, die überhaupt keine Chance kriegen, etwas zu schaffen, gehen nämlich dabei immer leer aus. Erfolg zu haben — d.h. die Chance erhalten, sich öffentlich zu beweisen , ist heutzutage Glückssache. Das darf man nicht vergessen! Die Welt steht eben nicht jedem offen — und jeder, der das behauptet, lügt.

Außerdem —- und das habe ich in den letzten zwei Jahren bemerkt -— verselbständigt sich der Erfolg unheimlich schnell. Das, was man tut, hat ganz plötzlich eine andere Wertigkeit. Es wird unwichtig, was in der Dose ist -— man weiß nur, daß die Dose Erfolg hatte. Und jeder will damit Geschäfte machen. Man ist plötzlich ein Produkt, ein Marktwert — und das unabhängig davon, ob man Heino oder Grönemeyer heißt.

Dagegen kann man nur angehen, wenn man konsequent sein Ding durchzieht. Es geht mir also nicht darum, auf Teufel komm raus die Ansprüche hochzuschrauben, sondern darum, weiterzumachen -— fast so, als sei nichts geschehen.

Von der branchenüblichen Kurzlebigkeit halte ich sowieso nichts. Meine Firma wollte SPRÜNGE ja auch viel früher haben, um rechtzeitig bei dem und dem Geschäft dabei zu sein. Aber ich sagte, das geht nicht. Sicher, man erfährt immer wieder von den markttechnischen Zwängen und Strukturen, aber davon versuche ich mich weitgehend loszumachen, sonst fabriziert man nur noch Müll."

ME/SOUNDS: Apropos Müll. Auf dem Popsektor wird die akustische Umwelt ja sehr häufig verschmutzt- Wie und worin unterscheidet sich die klassische Rockmusik davon ?

GRÖNEMEYER: "Sicherlich hat die Rockmusik in ihren Ursprüngen — egal, wo die im einzelnen liegen — eindeutig politische Funktionen. Sie war provokant in jeder Beziehung, war gegen das Establishment und erzeugte eine ständige Reibung. Als Musiker bin ich bestimmt kein Bilderstürmer. Ich stehe zu meinen Kompositionen, aber außergewöhnlich sind meine Songs nicht. Darum versuche ich, über die Text-Schiene dieses Moment des Unbequemen hereinzubringen. Es geht nicht darum, Kunst mit Ewigkeitswert zu machen, aber man sollte doch bemüht sein, nicht in diesem Sog des Konformismus unterzugehen.

Es ist nicht besonders schwer, die 'Ware' Musik so abzukarten, daß sie locker mitschwimmt und ins systemkonforme Bild paßt. Den Markterfolg spekulativ abzuschätzen, etwa anhand der möglichen Fernseheinsätze, das ist heute durchaus möglich. Man darf nicht so arrogant sein zu glauben, daß man nicht korrumpierbar ist. Es geht also darum, sich dieser Gefahren bewußt zu sein.

In der Popmusik verlangt man von dir, eine Figur hochzustilisieren. die man selbst nicht ist. Da wird's irgendwie schizophren. Als Rockmusiker bleibt dir dies zumindest erspart. Er hat die Möglichkeit, Musik zu machen — auch wenn er keinen Erfolg hat. Ein klassischer Popmusiker könnte das nicht. Er muß ganz vorne in den Charts stehen, er wird an der Menge der Autogrammkarten gemessen, an seiner Medienpräsenz. Er leidet an diesem Hollywood-Syndrom."
lucasjenke ist offline   Mit Zitat antworten
 

Stichworte
1986, interview, presse


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist dir nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist dir nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist dir nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist dir nicht erlaubt, deine Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.
Gehe zu



Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 19:04 Uhr.


Powered by vBulletin® Version 3.7.1 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.