Herzlichen Glückwunsch, Chefkritiker!
Du hast es tatsächlich geschafft, dass ich mich hier schneller zurückmelde und neu registriere, als es mir eigentlich lieb ist.
Aber deine vollkommen realitätsfremde Antwort kann ich einfach nicht im Raum stehen lassen.
Man könnte fast meinen, dass du zum Kreise derjenigen gehörst, die sich den Bologna-Prozess ausgedacht haben.
Zitat:
Zitat von Chefkritiker
Die Alltagsstruktur eines Oberstufenschülers des Gymnasiums erachte auch ich keinesfalls als exhorbitant zu hoch.
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Auf welchen Erfahrungen beruht diese Annahme? Hast du repräsentative Umfragen durchgeführt?
Zitat:
Zitat von Chefkritiker
Keine(r) von denen musste auch nur eine Abiparty am Freitag Abend absagen! Der Kater am Tag danach und der damit verbundene Arbeitsausfall inklusive!
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So ein Skandal! Die Schüler haben Freizeit! Die Schüler können tatsächlich ein Leben führen und sich ab und an mal erholen!
Was wünschst du dir? Nur Elite-Schüler, die einzig und alleine für ihre Bildung leben, vorbestimmte Berufe erlernen und denen sämtlicher Spaß aberkannt wird?
1984 nicht als kritisches Buch verstanden?
Zitat:
Zitat von Chefkritiker
Keine(r) von denen wird nach Eintritt in das Berufsleben jemals wieder ein so hohes Freizeitbudget haben!
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"Schlimm! Spielende, glückliche Kinder! Die Natur (oder Gott) gab den meisten von ihnen gesunde Hände, sollen die doch mit fünf Jahren schon in die Fabriken und was tun! In diesem Land kriegt keiner was geschenkt."
Genau so klingst du. Es kann doch nicht dein Ernst sein, den Schülern die Freizeit absprechen zu wollen.
Hast du eigene Kinder? Wie lange ist deine Schulzeit her? Schon mal was von Hausaufgaben gehört?
Ein großer Fan von Ganztagsschulen? Super Sache, warum sollte man auch Eltern die Erziehung ihrer Kinder überlassen, wenn das eine ausgebildete Lehrerin, die sich um 34 Schüler kümmern muss, so viel besser kann.
Zitat:
Zitat von Chefkritiker
Viel extremer finde ich jedoch das, was einen Abiturienten dann im Studium erwartet (so er diesen Weg denn wählt).
Ein Student hat 6 von 12 Monate vorlesungsfreie Zeit im Jahr, ein Freizeitbudget, das nur noch Arbeitslose überbieten und auch während der Semester Freiräume in der Woche, die sich in der ausgeprägten Partykultur wiederspiegeln.
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Genau, elendes Studentenpack!
Nach dem übernächsten Zitat werde ich dir mal ein paar Beispielrechnungen aufmachen, sowie eigene Erfahrungen aufzeichnen und zeigen, wie die Realität wirklich aussieht.
In der herrschen seit Bologna nämlich Zustände, die eine Generation voller vollkommen ausgebrannter Akademiker hervorbringen wird, mit denen man nichts mehr anfangen kann.
Achja, und bring den Punkt "Freizeitbudget bei Arbeitslosen" doch nochmal in einem Internetforum der Angestellten des Opel-Werks Bochum. Die werden dir dann schon zeigen, wie glücklich sie mit ihrer Freizeit sind.
Aber Hauptsache an den Klischees des faulen Arbeitslosen und des untätigen Studenten festhalten.
Zitat:
Zitat von Chefkritiker
Mit Berufsvorbereitung haben viele Studiengänge nur am Rande zu tun. 5-6 Jahre Theorie, gespickt mit wenig Verantwortung und einem dem Alter und Entwicklungsstand nicht gerecht werdenden Freizeitgrad: Viele Ansätze für Verbesserungen.
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In einem Punkt stimme ich dir zu: Zu viel Theorie
Der Rest ist absoluter Humbug.
Wie viel Freizeit forderst du denn je Alter? Reichen ab dem 18. Lebensjahr zwei Stunden, in die man noch Schlaf, Nahrungsaufnahme und sonstige alltäglichen Dinge quetschen muss?
Zitat:
Zitat von Chefkritiker
Darauf aubauend würde ich dann allerdings auch das Studium straffen und einiges an Ferien mit berufspraktischen Elementen ersetzen, die über das Maß des ein oder anderen Praktikums hinaus gingen.
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Und nun kommen wir zum echten Leben:
Ich studiere bekanntlich Politikwissenschaft. Die meisten Vorlesungen sind keine Pflichtveranstaltungen, erfordern aber, da jede von ihnen geprüft wird, Lernleistungen.
Da es sich bei mir um einen eher theoretischen Bereich handelt, muss man sich einiges merken. Heißt also, dass zu einer 90-minütigen Vorlesung pro Tag durchschnittlich nochmal 90 Minuten Pflicht-Lernphase (Pflicht deshalb, da die Creditpunkte, welche man bekommt, diese außeruniversitäre Leistung mit einschließen) kommen.
Macht, bei sechs Veranstaltungen im 3. Semester, 9 Stunden pro Tag. Mal ganz davon abgesehen, dass es ohne Drogen nicht möglich ist sich so viel in den Kopf zu schaufeln, muss man teilweise ja trotzdem noch in die Uni, da es noch mehrere Pflichtseminare (auch Samstags und Sonntags teilweise ganztägig) mit Anwesenheitspflicht (krankheitsbedingte Fehlzeiten - selbst bei Krankenhausaufenthalten - sind nicht möglich, da man bei Blockseminaren alle Termine besuchen muss) gibt.
Montags bin ich von 12:00 Uhr bis 18:00 Uhr in der Uni, dazu kommt noch die Hin- und Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die bei einigen Studenten auch schonmal jeweils zwei Stunden dauern kann.
Sagen wir mal, ich wäre gegen 19:00 Uhr wieder zu Hause. Dann wird gegessen und in die 9-Stunden-Phase eingestiegen. Sind wir mal gnädig und gehen davon aus, dass ich um 4:00 Uhr morgens fertig bin.
Da die reine Anwesenheit in Pflichtkursen nicht reicht, müsste ich mich jetzt noch an diverse Hausarbeiten und Vorträge setzen, leider heißt es aber schon um 8:00 Uhr aufstehen und gegen 10:00 Uhr wieder in der Uni sein.
So viel zu laschen Anforderungen. Und hierbei handelt es sich wirklich um einen hamlosen Fachbereich. Wir Powis sind da vergleichsweise faul.
Wenn ich da an meine Freundin denke, die sich Angewandte Informatik antut. Um das Zeug zu verstehen, muss man wirklich jede Veranstaltung besuchen, egal wie gut man ist. Die Dozenten verstehen ihre Sachen ja teilweise selbst nicht.
Zur Vertiefung noch Hausaufgaben und Übungen. Diese sind zwar freiwillig, aber unerlässlich fürs Verständnis des Stoffes.
Würde ich sie nicht bremsen, wäre sie 24h am Tag, 7 Tage die Woche damit beschäftigen. Kommilitonen von ihr müssen nebenbei noch arbeiten, da sie nicht so viel Glück haben wie wir.
Frag da mal nach der körperlichen und geistigen Gesundheit.
Natürlich kann man das ganze noch auf die "Ferien" ausweiten, dann möchte ich allerdings mal die Selbstmordrate sehen.
Teilweise ziehen sich übrigens Projektarbeiten und Praktika in die freie Zeit hinein bzw. beschränken sich nur auf diese.
Ich bin übrigens gut mit einer meiner alten Lehrerinnen befreundet, daher kann ich dir versichern, dass es bei anderen Studenten nicht anders aussieht und wir keine Ausnahmen bilden.
Selbstverständlich weiß ich, dass es kaum Studenten gibt, die wirklich das geforderte Pensum an Semesterwochenstunden erfüllen, allerdings ist das, wie oben beschrieben, auch einfach nicht möglich.
Nicht umsonst spricht man seit der Bologna-Reform auch vom "verschulten Studium".
Also setze dich erst einmal mit der Realität auseinander und benehm dich nicht wie ein übergewichtiger Fan im Fußballstadion, der seine Mannschaft als unfähig bezeichnet.