| Darum öffnet Eure Pforten 
				 
				Registriert seit: 16.07.2002 Ort: Geht keinen was an 
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				AW: Song: AUF DEM FELD aus dem Album: Schiffsverkehr
			 
 Eine Begegnung vor ein paar Tagen geht mir nicht mehr aus dem Kopf, bzw. weniger die Begegnung selbst als das anschließende Gespräch. Es begab sich, dass ich bei guten Freunden zum Kaffee eingeladen war, und irgendwann im Laufe des Nachmittags kam der Bruder von der einen dazu. Schon innerhalb der ersten Sätze war deutlich herauszuhören, dass er für einige Jahre als Berufssoldat geabreitet hat und nun auf Kosten der Bundeswehr seinen Realschulabschluss nachholen will.
 Ein paar Augenblicke später kam ich dann mit ihm ins Gespräch und fragte ihn, u.a. weil ich selbst vor ein paar Jahren im Kosovo war (natürlich nicht als Soldat, sondern nur im Rahmen einer privaten Urlaubsreise), ob er auch schon einen Auslandseinsatz angeboten bekam. Er begann munter draufloszuplaudern, dass er vor etwas mehr als einem Jahr von seinem sechsmonatigen Afghanistan-Einsatz zurückgekehrt ist. Ich fragte ihn, in Anbetracht meines während der Konzerte hinzugewonnenen Wissens: "Stimmt es eigentlich, dass die Amerikaner die Taliban in Afghanistan angesiedelt haben, um gegen die Sowjet-Union Stellung zu beziehen?" - "Ja, das haben die irgendwann vor langer Zeit mal gemacht..." - "Und nun lassem sie ihn selbst bekäpfen." - "Joah, so ist das eben." - "Und für oder gegen wen warst Du dann dort im Einsatz?" - "Wir sind Soldaten und keine Wolldaten, uns wird gesagt, wer der Feind ist, und auf den wird dann im Ernstfall geschossen. Beim letzten Mal waren es die Taliban."
 
 Später, nachdem er mit einem Funkeln in den Augen von ein paar selbst verursachten Sprengungen und noch mehr Schießstandanekdoten erzählt hatte, fragte ich ihn noch, ob er auch schon mal einen Menschen getötet hat. Seine Antwort werde ich hier nicht aufschreiben, weil sie ebenso abgebrüht wie menschenverachtend ist, und ich will es nicht verantworten, wenn außer mir noch andere diese Vorstellung nicht mehr aus dem Kopf bekommen, zusammenfassend kann man sagen, er hat es mehrfach bejaht.
 
 Natürlich habe ich während der Unterhaltung auch an "Auf dem Feld" gedacht und die dazugehörigen Ansagen während der Tour - in diesem speziellen Einzelfall passt es ganz und gar nicht; von einem unendlichen Leid, das dieser Krieg über die Beteiligten und ihre Angehörigen bringt, scheint mein neuer Bekannter nicht viel erlitten zu haben - oder aber, was ich weniger glaube, die Zeit in Afghanistan hat ihn so sehr innerlich zerschunden, dass er sich das jetzt rückblickend galgenhumormäßig schönredet.
 
 Glücklicherweise habe ich auch eine ganz andere Seite menschlicher Natur erleben dürfen. Seit einigen Wochen habe ich mittlerweile die großartige Gelegenheit, vergleichsweise viel Zeit mit Jugendlichen zu verbringen. Interessanterweise treffen dabei jeweils Kinder/Jugendliche aus verschiedensten Teilen der Welt aufeinander, und ich bin wirklich begeistert, schon irgendwie stolz: Völlig unbefangen sitzen bei mir teilweise Ghanaer(innen), Albaner(innen), Türk(inn)en, Belgier(innen) und Deutsche an einem Tisch und reden halbwegs vernünftig miteinander, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, dieses große Maß an Toleranz, die bei uns selbstverständlich ist, die ist im Laufe der vergangenen Jahrhunderte im großen Sinne irgendwo auf der Strecke geblieben. Das habe ich meinen Schützlingen auch so direkt gesagt, dass ich es wirklich toll finde, dass sie sich größtenteils nicht von irgendwelchen vorgefertigten Meinungen zurechtstutzen lassen, von einem halb-deutsch-halb-belgischen Jungen mal abgesehen, der oft Sätze sagt wie: "Bezeichnen Sie mich nicht als Mischling" oder auch: "Mein Vater hat eigentlich nichts gegen Ausländer, außer wenn sie Scheiße bauen" - auf meine Frage, was an einem Deutschen, der Scheiße baut, "besser" sein soll, gab es keine Antwort, einmal hat er sogar zu seinen deutlich dunkelhäutigeren Mitmenschen gesagt: "Hitler hätte Euch alle vergast." Zum Glück ist dies der Thread zu "Auf dem Feld", sonst könnte ich jetzt noch die Gelegenheit nutzen, einiges über "Die Härte" zu schreiben.
 
 Um nochmal zu "Auf dem Feld" zurückzukommen: Ich nutzte noch die Gelegenheit zu fragen, ob der Tod von Bin Laden irgendwas am Afghanistan-Krieg beendet hat. Die Antwort lautete sinngemäß: "Nein, da sitzt jetzt irgendein anderer Mullah an seiner Stelle und führt das ganze fort." Seinen Kommentar, warum es sinnvoll und richtig war, Bin Laden auf die Art und Weise auszuschalten, wie es gemacht wurde, lasse ich lieber auch aus.
 
				__________________Auch wenn Du mich verklagst
 und Du schwörst, dass Du mich magst,
 ist mir alles so egal.
 
 Ob Du fauchst oder ob Du beißt,
 mich verwirrt nennst oder unreif,
 Rache schwörst zum jüngsten Tag.
 
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