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Alt 26.06.2007, 08:35   #9
Jolanda
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AW: Lokalzeitungsberichte

„Los, Bremen! Sing! Los jetzt!“ Grönemeyer bringt 30000 zum Grölen / Bernd Schneider
Quelle: Weser Kurier, 26.06.2007

Trippelschritte, roboterhafte, ungelenke Tanzbewegungen und knödeliger Gesang – Herbert Grönemeyer weiß, was er seinem Publikum schuldig ist. Und er hat die 30000 nicht enttäuscht, gestern im Stadion.

Die Projektion einer überdimensionalen Uhr kündigte das Erscheinen des Ruhrpott-Idols an. Punkt zwölf, jedenfalls nach dieser Uhr, stand Grönemeyer auf der Bühne. Er lief nach ganz vorne auf einem Steg mitten im Publikum, fast schon auf der Mittellinie im Stadion. Setzte sich an den Flügel, geblendet von der Abendsonne tief im Westen. Das Zentralgestirn hatte die Lightshow eröffnet, hatte die in der Ostkurve gelegene Bühne in ein warmes Licht getaucht. Und die „Rainshow“ abgelöst, die zuvor das Publikum und den Pop-Rapper „Cluedo“ gepiesackt hatte.

„Deine Träume deut’ ich nicht“ – mit dieser Zeile aus dem Song „Leb in meiner Welt“ eröffnete Grönemeyer den Abend, ein Stück aus seinem neuen Album. Es folgten „Kopf hoch, tanzen“ und „Stück vom Himmel“, bevor der wohl präsenteste deutsche Sänger sich der Vergangenheit zuwandte und Stücke spielte wie: „Musik nur, wenn sie laut ist“, „Halt mich“, „Bochum“ und „Alkohol“.

Er spielte Stücke von seinem neuen Album im Wechsel mit älteren Werken, etwa vom mittlerweile fünf Jahre alten „Mensch“. Das alles kam sehr druckvoll, in einem ordentlichen Sound und laut genug, dass die vielen Bremer vor dem Stadion durchaus noch ihren Musikgenuss hatten. Gesellschaftskritik, Politikerschelte, Partystimmung – bei Grönemeyer muss das kein Widerspruch sein. Eben noch tanzt das Publikum, dann schon erzählt Grönemeyer von der Afrikanerin „Marlene“, die nur deshalb überlebt, weil ihr Mann auf Aids-Medikamente verzichtet – die Dosis reicht nur für einen. Grönemeyer spricht von „unterlassener Hilfeleistung“ der westlichen Industrienationen, von einer „Form der indirekten Gewalt“.

Und dann wieder brüllt er sein Publikum an: „Los, Bremen! Sing! Los jetzt!“. Ein absolutes Energiebündel, das da im weißen Hemd über die Bühne tobt, mit den Armen rudert, zum Klatschen und Mitsingen animiert. Und locker ist er auch: „Ich wollt grad in die Flasche sprechen“, sagt er und beömmelt sich, weil er sich vergriffen hatte nach einem stimmaufreibenden Song. Aber da ist er schon wieder sortiert: Flasche – trinken, Mikro – sprechen.

Grandiose Unterstützung hatte Grönemeyer von einer ausgeklügelten Video-Regie. Sie zeigte die Band, den Musiker, eingespielte Details teilweise in grobkörnigen Schwarz-weiß-Bildern, fast wie eine alte Dokumentation. Dann wieder grelle Farben, schnelle Schnitte – ein Sprung durch die Jahrzehnte mitten ins MTV-Zeitalter.
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