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AW: Berlin heute live@lv.de
Hallo ihr Lieben!
Habe folgenden Artikel in einer Brandenburgischen Tageszeitung endeckt und finde ihn eine Frechheit  
Mich würde mal Eure Meinung dazu interessieren....
Zitat:
Der Volksvertreter
Wie Herbert Grönemeyer das Olympiastadion eroberte
ERIK HEIER
Und wenn ihr in dieser Mittwochnacht ein Kind gezeugt habt, so nennt es Herbert. Oder Herbertine. Macht alles richtig.
Grönemeyer war da, er hat das Berliner Olympiastadion genommen, im Sturm, wie ein Haus voller offener Türen, er musste keine einrennen. Er konnte gar nichts falsch machen. Er musste nur singen. Wie er eben singt. Gurgelnd, kehlig, quengelnd. Man denkt, so viele Frösche gibt es doch gar nicht auf dieser Welt für eine einzige Kehle. Für kleines, rumpelstiezliges, fäusteballendes, armeschlenkerndes Herbert. Vorher dehnt er sich noch hinter der Bühne, rechtes Bein, linkes Bein, er schnürt die Sportschuhe neu. Ein Zweidreiviertelstunden-Konzert ist nichts für Boygroups. Das ist was für Männer. Für gute Männer.
Grönemeyer ist, keiner bestreitet das, der Volksvertreter der Popnation. Zu gut für die böse Welt, vielleicht. Gerade war er noch in Rostock auf offener Bühne mit U2-Bono zugange. Er hat den in Heiligendamm weggezäunten G8- Oberindianern ordentlich den Hintern versohlt. Hofft er jedenfalls. Populismus mit Sinn. "Frau Merkel, halt dein Versprechen!" Seit wann duzt er die Kanzlerin eigentlich? Wollte er sich doch nicht einmal mit ihr zusammensetzen, anders als Bono, anders als Bob Geldof. Mit Bushblairmerkelprodi zu reden ist Blech, gegen sie zu Singen ist Gold. "Ich traue Politikern nicht." So hat er geätzt, in den "Tagesthemen" auch noch, beste Sendezeit für bestes Sendungsbewusstsein.
Muss doch noch eine Stinkwut haben, der Mensch. Hat er?
Hat er nicht. Nicht in Berlin jedenfalls. Gute Laune bis unters Stadiondach. Nur einmal gönnt er sich ein wirklich politisches Statement, über fehlende Aids-Medikamente in Afrika, über "den Zynismus des Westens". Das eindringliche "Marlene" vom neuen Album "12" dämpft die Euphorie. Es bleibt eines der ganz wenigen Lieder des Abends ohne eingebaute Mitgrölautomatik.
Man will ja nicht mäkeln. Grönemeyer bewegt die Massen, 65 000 im Olympiastadion, nicht ganz ausverkauft, aber bitte, 65 000! Er lässt nicht los, er lässt nicht locker. Seine Hits kommen so zuverlässig wie eben die "Tagesthemen". Da habt ihr’s, "Stück vom Himmel", jetzt das hier, "Bochum", und gleich danach "Alkohol". Immer noch nicht genug? Nehmt das, "Mensch". Sitzt etwa immer noch jemand? Das haben wir gleich. "Vollmond."
Noch Fragen?
Ja, doch, schon.
Wieso hat man eigentlich fast nie das Gefühl, überrascht zu werden? Song für Song logische Harmonien, logischer Einsatz der umfänglichen Begleitband, logische Mitsingarien. Wenigstens feiern Saxofonist Frank Kirchner und Gitarrist Stephan Zobeley das eine oder andere kernige Solo ab. Aber jeder Ton kommt genau dann, wenn man ihn auch erwartet, es ist zum Verzweifeln. Die 26-Song-Setlist ist bei seiner am 24. Mai in Leipzig gestarteten Stadiontour nahezu statisch, Lied für Lied nach in Stein gemeißelter Reihenfolge. Das vorletzte Stück "Vollmond" bleibt die einzige Tourpremiere.
Einmal hofft man. Da behauptet Grönemeyer: "Das nächste Lied gehört zu den unbekannteren unserer Werke." Und was bringt er dann? "Moccaaugen" vielleicht oder "Currywurst"? Nein, "Männer". Ach du liebe Zeit. Ausgerechnet "Männer". Immerhin als gitarrensatten Stampfer, richtig veritabler Schweinerock. Natürlich gehen die Fans ab wie Schmidts Katze, die Frauen singen sich die Schminke aus dem Antlitz, da sind reichlich Damen im weiten Rund, und die grölen lauter als jeder Hertha-Fanblock.
Grönemeyer, jetzt wieder Teilzeit-Berliner, kennt keine Heimniederlagen.
Aber trotzdem. "Männer" kommt auf einem Grönemeyer-Konzert etwa so überraschend wie Nieselregen in seiner Wahl-Heimatstadt London. Oder so unerwartet wie sein Eröffnungsdefilee über den das Fußvolk teilenden 40 Meter langen Laufsteg, dessen Ende man in einer verkehrsberuhigten Eigenheimzone einen "Wendehammer" nennen würde.
Dort steht ein Klavier. An das setzt sich Herbi für diesen ersten Song "Leb in meiner Welt" von der neuen Platte, es ist ein Fall für 65 000 Gänsehäute.
Herbert Grönemeyer weiß es ja. Dass er sie in der Hand hat, alle. Er weiß es schon nach diesem Auftakt, er ruft es heraus, "der Abend ist gigantisch." Er müsste sich auch gar nicht so ranschmeißen an die Fans, an die Stadt. Aber er blafft: "Los Berlin, tanzt. Los jetzt!". Es ist wie im Ballermann auf Mallorca, also ein Fest, "Kopf hoch, tanzen", hat der Herr Grönemeyer befohlen. Wird erledigt. Danke, nicht setzen. Er scherzt über seine Textsicherheit, sein Nuscheln. Irgendwann, da ist man schon ganz niedergegrönemeyert, jodelt er auch noch Berlins verdientem Eisbär des Volkes ein "Knuti-Knuti-Knuti"-Ständchen. Ach so, deshalb das weiße Hemd.
Da kann man nix machen. Außer ein Kind, vielleicht. Einen Helden für Herbi. Das letzte Lied heißt "Zur Nacht".
Herr Gatte, übernehmen Sie.
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