Lieder
Leonce und Lena
Text: Herbert Grönemeyer
Co-Texterin: Arezu Weitholz


LEONCE UND VALERIO

Von Gleichmut gerührt,
mach mich nicht gemein,
schliess die Fenster, Türen, es zieht.

Was gäbe ich für ein Gesicht,
irgendeinen Charakter, ein paar andere Schuh,
keiner weilt so lang wie ich.
Schenk nichts, schenk nach, ich brauche Ruh ´.

Refrain:
Lieb mich schnell, hab keine Zeit,
Schüttel mich bevor ich geh,
Mut mich an, sei mein Geleit,
Zweieinig und allein.

Ich dauer dauernd, ich seh nur mich,
Ich fasse nichts, mein Nabel schaut,
Meine Schulter schultert der Welt Gewicht,
Schenk nichts, schenk nach, das Graue graut.

Warum bin ich nur ich,
Warum bin ich nicht du,
Mach die Augen zu, es zieht.



HOFSTAAT EINS

Oje, Oh, nein, oh, doch
Ach, Du, ach, weh, ach, was denn noch.
Wieso, warum, wohin, mit wem,
oh, ja, wie angenehm.

Hinter, vor, jetzt und nun,
eben, gleich, ohne auszuruhn.
An für sich, mithin und her,
uns ist nichts zu schwer.

Wir machen vor und mit,
gross sein Reich seine Weite,
mit ihm durch dünn und dick,
durch quer und aus und überhaupt.
Zugleich.

KÖNIG

Fängt die Sonne an zu regnen,
verspannt der Bauer im März,
Bleib ich kühl unbeweglich,
Ob Hermelin oder Nerz.

Ist der Wille noch so offen,
mit oder ohne Gewähr,
Wüsst` ich wie, würd` ich hoffen,
ich bin a König und ka Herz.


HOFSTAAT
Wüsst` er wie, würd` er hoffen,
er ist a König und ka Herz.


KÖNIG
Hab ein Schloß unter Tanen,
Hoch die Zeit, tief verehrt,
wenn Schnür und Senkel sich vertragen,
kann man Brot und Schmalz entbehrn.

Es kann nur fühlen wer sich fügt, a
fällt das Beil, brennt der Herd,
ich hab alle so lieb, ja
ich bin a König und ka Herz.


HOFSTAAT
Er hat alle so lieb, ja,
er ist a König und ka Herz.


KÖNIG
Ich tick in goldenen Zeiten,
schuld ist, wer sich beschwert,
beherrsch` die Längen und die Breiten,
so bleiben meine Kreise ungestört.

Würd` ich was spüren, müß` ich lügen,
ich leb` den Schmäh und den Scherz,
ich bin mein einziges Vergnügen,
ich bin a König und ka Herz.


HOFSTAAT
Er ist sein einziges Vergnügen,
er ist a König und ka Herz.




HOFSTAAT EINS (Fortsetzung)

Zugleich.
Halt ein, halt an,
im Soll, im Plan,
leg vor, leg nach, momentan,
ruck zuck, alle Mann.
Um, aus, ein und so,
Gemach und gleichermassen,
Mann, Frau, Niveau,
Ganz genau und umgekehrt.

Refrain:
Achthundert Millionen Mal,
wird das Herz schlagen,
dann hört es auf, wir hörn auf ihn,
die Wissenschaft stellt fest,
wir stellen keine Fragen.
Wir stelln uns an,
wir stelln uns vor,
und hinter ihn.

Wer, wie, wo, was, weshalb
werden wohl oder übel,
die Würfel fallen, uns ins Gesicht.
Alert, adrett, absurd, das Leben ist eine Zwiebel,
die Tränen kullern, ob wir wollen oder nicht.




ROSETTA

Nirgendwo zu Hause,
überall dein Gesicht,
kein Platz, keine Pause,
zerflossen liegt das Glück.

Dicht dran warn wir beide,
dazwischen stirbt nur ein Herz,
von vorne ist am Ende,
verführt, verlassen, verkehrt.

Nirgendwo zu Hause,
mein Schmerz ein verlies,
die Sehnsucht liegt im Sterben,
du schaust zu und genießt.

Du tust weh, ich leide,
du fliehst feige aus der Pflicht,
verzweifelt eitle Schwüre,
Du liebst über allles nur das Nichts.

Nirgendwo zu Hause,
kein Lehnen, Trauern, Licht,
kein Weinen, Fluch, Verschwören,
ändert Dich für mich.

Meine Gedanken kreisen müde,
Nur der Kummer kommt noch mit,
Deine selbstverliebte Kühle,
Du siehst in mir nur Dich.




LENA

Träume haben ein vielseliges Programm,
ein Engel schwingt herab,
und hält ein Bahrtuch in der Hand,
die Natur verblasst, erstarrt,
und wird ein matter Schatten.
Wann küsst mich die Nacht.
Wann küsst mich die Nacht.

Meine Schwermut trägt mich fort und leidet still.
Unsichtbarer Bann, was hast Du Dir für mich vorgestellt
Mein Kummer klagt, verzagt,
und läßt die Welt verstummen,
Muss ich durch ein Grab,
Warum durch ein Grab.

Refrain:
Nur blühn, nur blühn, vor Liebe erglühn,
als Blume hold und rein dem Tode entfliehn,
nur blühn, nur blühn, im Mondenglanz,
wie eine Rose, rot und schön, im ewigen Tanz.

Der Nebel lähmt mein Haupt,
mein Auge schläfrig und müd,
Der Tag verwaist, verweht,
und bleiern seinen Vorhang zieht.
Der Zweifel legt, verklebt, betäubt alle meine Sinne,
Wann küsst mich die Nacht.
Wann küsst mich die Nacht.

Refrain:
Nur blühn, nur blühn, vor Liebe erglühn,
als Blume hold und rein dem Tode entfliehn,
nur blühn, nur blühn, im Mondenglanz,
wie eine Rose, rot und schön, im ewigen Tanz.




VALERIO

Wer will schon lange leben,
Wir sind hier nun mal eben,
Tot ist wer nicht mehr trinkt.

Zu fromm wolln wir nicht werden,
wir werden sowieso zu Erden,
wer rostet braucht Trauben, Trost und Sinn.
Unsinn.

Alles Refrains:
Es geht alles von selbst
Wenn nur keiner denkt,
alles gibt sich beizeiten,
Wenn niemand schafft und keiner lenkt.

Nimm die Hände vom Steuer,
fröhn Müßiggang und Einfalt,
Arbeit ist nicht geheuer,
Wir werden froh, faul und alt




LEONCE UND LENA

LEONCE Haben Träume eine Seele.
LENA Macht Weinen Sinn, muss Leben sein,
LEONCE Warum ist die Zeit unendlich,
LENA Wirren sind unmenschlich,
LEONCE Warum welken wir nicht gleich.
LENA Ist alles eitles Versprechen,
LEONCE Aus Versehen geboren und weg,
LENA Ist das Herz nur eine Lüge,
LEONCE Ein sterbendes Vergnügen,
LENA Hat Liebe einen Zweck.

BEIDE Was begreift und fühlt der Boden,
Was erkennt und denkt das Licht,
Wann gibt man den Verstand verloren,
Ist man unten oder oben, warum weiß man nichts.

Haben Träume eine Seele,
Macht Weinen Sinn, muss Leben sein,
Warum ist die Zeit unendlich,
Wirren sind unmenschlich,
Warum welken wir nicht gleich.

Refrain:
Ist alles eitles Versprechen,
Aus Versehen geboren und weg,
Ist das Herz nur eine Lüge,
Ein sterbendes Vergnügen,
Hat Liebe einen Zweck.

Steht der Tod auch für den Anfang,
Sind wir Steine in hohlem Spiel,
Warum geben wir uns Mühe,
wenn wir einander betrügen,
Ist der Liebe schon zuviel.

Ist das Herz nur eine Lüge,
Ein sterbendes Vergnügen,
Ist Liebe nicht zuviel.




VOLK

In domine nos partitur, Wir verteilen uns im Herrn,
Homo Homi-miniatur, Der Mensch ist des Menschen Verkleinerung,
Vivat! Vivat! Er lebe, er lebe!
Pro domo aromat. Er ist unser Verwöhnaroma.

Propio pallio tunika, Das Hemd ist näher als der Rock,
Ora pro regnum labora, Wir beten und arbeiten für den König,
Vivat! Vivat! Er lebe, er lebe!
Pro domo aromat. Er ist unser Verwöhnaroma.




DIENER

Der Hofpoet grunzt herum,
Jungfrauen rosten dahin,
die weissen Röcke bleich,
die Unschuld verliert den Sinn.

Aufrecht war mal, fatal,
es droht die Horizontale,
das Lächeln wird grimassiert,
das blauwarme Blut wird schal.

Wir machen uns Beine,
wir machen uns Beine,
wir machen uns Beine,
Beine und nichts passiert.

Kommen nicht ins Reine,
kommen nicht ins Reine,
kommen nicht ins Reine,
wir kommen nicht raus und stehn pikiert.

Herzen schmelzen, Posituren frieren,
alle Mühe hat das Spiel verlorn,
Knoten platzen, leere Korselagen,
Garnitur gerinnt, die Augen blind,
Laune verstimmt, Pfefferminz,
und wir verdorrn.

Wie geht`s weiter,
wie geht`s weiter,
wie geht`s weiter,
keiner hat einen Plan.

Bleiben se heiter,
bleiben se heiter,
bleiben se heiter,
wir fangen nochmal von vorne an,
von vorne an.

Herzen schmelzen, Posituren frieren,
alle Mühe hat das Spiel verlorn,
Knoten platzen, leere Korselagen,
Garnitur gerinnt, die Augen blind,
Laune verstimmt, Pfefferminz,
und wir verdorrn.




HOFSTAAT ZWEI

Jawoll

Jawoll

Jawoll

Jawoll

Jawoll
Kneift die Knöpfe, garnt die Zwirn
nagelt die Finger, schlagt das Gehirn,
kartet die Tische, listet den Gast.

Jawoll
Faltet Servietten, schlinget den Schlips,
knödelt die Kugeln, knickt das Genick,
schmirgelt den Braten, verlängert den Satz.

Becher das Eis, verspann den Gaul
Strausse die Braut, korb das Maul,
Feier dich selbst. Zeremoniell.

Refrain:
Darum ist alles wie es ist
Darum bleibt die Welt ein Kompromiss
Darum hat wer Pech und auch wer Glück.

Jawoll
Drei Schritte vor und drei zurück,
Bewegung liegt im Gleichgewicht,
reformt die Struktur, bückt die Pflicht.

Jawoll
Schosst den Frack, fusselt den Kopf,
Kämmt die Zunge, podamiert den Zopf,
feier Dich selbst.

Knotet Gebote, gebietet den Krampf,
haltet die Kerzen, breitet den Hanf,
versilbert den Blick, Vergißmeinnicht.

Dorft die Kirche, brecht den Tag
Haltet den Mangel, nehmt den Beschlag
Ersetzt den Zahn, weißt den Belag.

Refrain:
Darum ist alles wie es ist
Darum bleibt die Welt ein Kompromiss
Darum hat wer Pech und auch wer Glück.
Darum wird abgeholt wie bestellt,
Darum bleibt `s wie es uns gefällt,
Darum geht die Uhr vor und nicht zurück.




VALERIO/FINALE

Wer will schon zu lange leben,
Wir sind hier nun mal eben,
Der Arm ist da zum Heben,
Drum leb.

Was nützt alles Benehmen,
wenn wir uns dabei grämen,
Leer den Kopf, schwell die Brust,
Und schweb.

Refrain:
Es geht alles von selbst,
Wenn nur keiner denkt,
alles gibt sich beizeiten,
Wenn niemand schafft und keiner lenkt.

Nimm die Hände vom Steuer,
laß die Schulter kalt
Arbeit ist nicht geheuer,
wir werden froh und faul und alt.

Gott hilft nicht beim Beten,
Gott kann sich auch verspäten,
jeder ist seine eigene Religion.

Bequem Dich, mach Dich möglich,
genehmige Dich täglich,
glücklich wird erst, wer sich auch schont.
Wer sich schont.

Refrain:
Es geht alles von selbst,
Wenn nur keiner denkt,
alles gibt sich beizeiten,
Wenn niemand schafft und keiner lenkt.

Nimm die Hände vom Steuer,
laß die Schulter kalt
Arbeit ist nicht geheuer,
wir werden froh und faul und alt.
 

22 Kommentare

Alle Kommentare zu Leonce und Lena sind im Forum zu finden. Hier die neuesten 20.
 

grönländerin

vor 21 Jahren / 3.
oh is ja doch schon drin. muß abe rneu sein ..

Frage

vor 21 Jahren / 4.
Hallo! Kann mir jemand weiterhelfen? Was ist "Leonce und Lena"? Singt das alles Herbert selbst? Wo kriegt man das her? Von wann ist das? Ist es mit irgendwas vergleichbar?
Danke für die Mithilfe...

Heldin

vor 21 Jahren / 5.
Soweit ich weiss ist Leonce und Lena ein Buch von Georg Büchner.
Ich muss das für Deutsch lesen.

franzi

vor 21 Jahren / 6.
leonce und lena läuft im Moment am Berliner Ensemble.Herbert hat musik und Texte geschrieben, Singen tun aber die jeweiligen Schauspieler.Das stück ist echt ein Gesamtkunstwerk, wer kann
sollte es sich noch ansehen.

Andreas

vor 20 Jahren / 7.
Das stück läuft morgen im ZDF.

Lachmund

vor 20 Jahren / 8.
Gucke gerade ZDF. Es ist das Thema, was mich nicht vom Hocker reißt.Reiche Tunichtgute, die vor Langeweile sterben...Die Figuren sind Weißclowns mit Max und Moritzfrisuren, auch Mary Poppins sehe ich.Sprechende Pantomimen. Herbert hat als Spielmann eine entsprechende Musik dahintergelegt. Als das 1.Mal gesungen wird "das Leben ist eine Zwiebel" klingt das wie "Lache wenn..." und man hört direkt den Komponisten singen.Später wirds sogar jazzig, ach Miles Davis.Tschüß Lena. Es ist vergnüglich, aber es reicht nicht, um zu wenig zu schlafen. Jetzt gibts auch noch die Schauspielersprechübung (Korken im Mund).Die ham sich bei den Proben bestimmt sehr beeumelt...

Atze

vor 20 Jahren / 9.
Das musste live sehen; war zwei Mal im BE und so-was-von-begeistert natürlich auch weil es shr laut und schnell ist. Bei der Fernsehversion haben mir auf Anhieb die Wechsel zwischen der Panoramaperspektive (Bühne) und den Details (z.B. 1 Hand) nicht gefallen.
Hier aber auf jeden Fall auch von mir die Forderung nach einer CD, sonst zieh ich MP3s vom Video und stell die bei Kazaa ein..........
Macht Kohle Leute.

Lachmund

vor 20 Jahren / 10.
Vielleicht komm ich mal im Januar Berlin angucken. (Das wär das 1.Mal für mich nach dem Mauerfall. Hatte keinen Grund zu kommen und trage immer noch den Horror der früheren Eintrittzeremonie in den goldenen Käfig mit mir rum) Und die Spielzeit ist dann doch noch nicht zu Ende!? - So sollte ich das mal sehen: Arbeit ist nicht geheuer. Wir werden froh und faul und (froh) alt.

katharina

vor 20 Jahren / 11.
ich würde die musik auch gerne besitzen,da ich von der inszenierung begeistert war. gibt es denn schon eine cd oder eine andere möglichkeit, zu dieser musik zu kommen?

Claudia

vor 20 Jahren / 12.
Bin an der Musik ebenfalls sehr interessiert, ist die inzwischen irgendwie zu haben?

Lachmund

vor 20 Jahren / 13.
Inzwischen war ich im BE, schönes, verspieltes Theaterchen, das in akuten Finanznöten steckt. Hab Leonce als Ricardo in "Der Stellvertreter" gesehen. Keine Frage, Theater sollte man life sehen und nicht in einem Minifernseher. Gott ist tot hat Nina Hagen mal gesungen. Ich denke eher, er ist absolut überfordert

Irmgard

vor 20 Jahren / 14.
Gibt es von L&L eine CD oder wie kommt man an die Musik??
Irmgard

ALEX

vor 19 Jahren / 15.
hi, ich bräuchte des Lied "Leonce und Lena" unbedingt für ein referat, kann es aber nirgendwo auftreiben. Kann mir da jemand helfen???? Bitte!!!

Tina

vor 19 Jahren / 16.
Fragen...aber immer noch keine Antwort. Wo bekommt man die Musik von Leonce und Lena her? Mich interessiert besonders das Lied vn Rosetta. Wer kann mir weiterhelfen?

Laurel

vor 19 Jahren / 17.
@Tina: Die Musik zu "Leonce und Lena" gibt´s leider (noch?) nicht auf CD. Es gab lediglich das Theaterstück im Fernsehen.

Stotterer

vor 19 Jahren / 18.
Hände weg von meiner ganz privaten CD! Bleibt für alle Neugierigen noch was übrig (Irmgard, ALEX, Tina ...)

Bewegt

vor 19 Jahren / 19.
Habe sie gefunden = ich hänge da einem Ritus an: Möchte mit M.C. antworten, derpoetund seinemuse ... schönes bild, habe mich zu hause gefühlt, und immer was zu meckern gehabt, als ich die stimme hörte/ WURDE ICH RUHIGER ::: stellt euch die problematik der muse vor, wenn dar poet ständig auf den weg ist = ICH DANKE FÜR DIESE GESCHICHTE

luca-zwlf

vor 17 Jahren / 20.
Gibt es da Videoaufnahmen von dem Stück oder so etwas?

Mir gefällt das sehr.Aber es wird ja nicht mehr vorgeführt

hannesh92

vor 16 Jahren / 21.
Doch, zur Zeit wird das Stück in Stendal aufgeführt, aber leider ohne Herberts Musik=(

Vollmondpetra

vor 15 Jahren / 22.
Die 1. Version, der Vorläufer von "Will I ever learn", gesungen von Nina Hoss - so herrlich vorgetragen - und der Text von Herbert...so gefühlvoll, so schön geschrieben ...
*DAS FEHLT HIER EINFACH AUF DIESER SEITE*...
Das muss sich ganz schnell ändern ...
Die kleinen Wackler am Anfang des Videos muss man bitte großzügig übersehen...

YouTube Video anschauen
 

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