Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 16.07.2012, 20:55   #77
Currywurst71
tanzbereit
 
Benutzerbild von Currywurst71
 
Registriert seit: 21.08.2003
Ort: wo ein raues Wort dich trägt
Beiträge: 622
Currywurst71 ist ein wunderbarer AnblickCurrywurst71 ist ein wunderbarer AnblickCurrywurst71 ist ein wunderbarer AnblickCurrywurst71 ist ein wunderbarer AnblickCurrywurst71 ist ein wunderbarer AnblickCurrywurst71 ist ein wunderbarer AnblickCurrywurst71 ist ein wunderbarer Anblick
AW: (Zwischen-) Fazit der Tour

Ich versuch jetzt einfach mal, die vergangenen zwei Monate in Worte zu fassen, obwohl es mir noch sehr, sehr schwer fällt, meine Gedanken zu ordnen.
Es gab wohl keine vergleichbare Situation in meinem Leben, in der das pure Glück und die tiefe Trauer so nah beieinander lagen.
Was hab ich mich gefreut, diese kribbelige Vorfreude, die nur Herbert in mir auslösen kann…. schon lange vorher, hab ich die Tage gezählt, bis die Segel endlich wieder gesetzt werden können und dann war der Tag endlich da, der 17. Mai, das Auftaktkonzert in Lontzen/Belgien.
Es war wunderbar, so viele vertraute Gesichter wieder zu sehen, mit euch in der 1. Reihe ein Konzert zu erleben, das sofort meine Erwartungen übertroffen hat. Herbert wirkte, als wäre er in einen Jungbrunnen gefallen, der Auftakt mit „Erzähl mir von morgen“, eine Setlist von 30 Liedern, ich war so froh, dass ich nach diesem Konzert die Aussicht auf 15 (!) weitere fantastische Abende hatte.
Zwei Tage später ging es weiter mit dem Doppelschlag Uelzen/Magdeburg. Ich erlebte zwei geniale Konzerte, die Setlisten waren zwar etwas gekürzt, was aber meine euphorische Stimmung nicht trüben konnte. Beim Warten am Einlass in Uelzen konnten wir Herbert „Unterwegs“ proben hören, als Sonderzugabe packte er dann aber völlig überraschend „Leb in meiner Welt“ aus.
Am nächsten Tag in Magdeburg ließ er zwar auch diese „Sonderzugabe“ weg und spielte „nur“ 26 Lieder, was aber irgendwie während des Konzerts gar nicht auffällt. Erst in der Nachbetrachtung merkt man das. Ich jedenfalls bin nach diesem Abend beseelt die knapp 500 km zurück nach Hause gefahren und hatte schon eine wahnsinnige Vorfreude auf Bochum in mir.

Herberts Heimspiel am 22. Mai in Bochum ist ja sowieso immer was ganz Besonderes, es war grandios mal wieder „Ich will mehr“ zu hören und als Herbert zum zweiten Mal „Bochum“ anstimmte, gab´s kein Halten mehr. Diesmal hat er uns einen Refrain wirklich GANZ alleine singen lassen, diesen Part mag ich mit Chor ja überhaupt nicht und es hat mir eine dicke Gänsehaut verpasst, das mal wieder GENAU SO zu hören. Ein wunderbares Konzert, tolle Stimmung, Herbert in Superform und das Wetter schien, als wollte es uns für alles entschädigen, was 2009 beim Konzert mit den Symphonikern schief lief.
Einen Tag später ging es nach Bremen, das erste Hallenkonzert und nach Herberts Heimspiel hatte ich nicht so viel erwartet aber auch das Konzert war der Hammer! Ich hatte einen Traumplatz in der kleinen, recht schnuckeligen Halle, die Setlist war zwar keine Offenbarung aber ich habe keine Sekunde bereut, dass ich mich – eigentlich recht kurzfristig – für dieses Konzert entschieden habe.
Am Wochenende drauf sollte für mich der nächste „Doppelschlag“ mit Mannheim und Baden-Baden folgen. Kurz bevor ich mich am Freitagvormittag auf den Weg nach Mannheim machen wollte, erhielt ich einen Anruf und erfuhr, dass ein lieber Mensch, der mir in den letzten Jahren sehr ans Herz gewachsen ist, ins Krankenhaus musste. Er war schon seit einiger Zeit gesundheitlich sehr angeschlagen aber dass es nun so rapide bergab ging, konnte niemand ahnen. Seine Frau versicherte mir, er sei außer Lebensgefahr und so machte ich mich auf den Weg nach Mannheim, wenngleich immer ein mulmiges Gefühl in der Magengegend blieb….
Beim Konzert in Mannheim kam dann endlich das langersehnte „Unterwegs“ als Sonderzugabe, was wieder für Gänsehaut und jede Menge Freudentränen in der 1. Reihe sorgte. Außerdem wurde „November“ durch „So wie ich“ ersetzt, nun ja…. Ich bin ganz froh, dass er nur dieses eine Mal, auf so eine Idee gekommen ist.
Am nächsten Morgen ging es nach Baden-Baden, alles in allem ein sehr schönes Konzert in einer außergewöhnlichen Location mitten auf der Rennbahn. Auch hier hab ich mich noch in der Nacht auf den langen Weg zurück ins Ruhrgebiet gemacht und war während der langen Autofahrt ständig in Gedanken bei meinem kranken Freund. Mir wurde klar, dass ich ihn besuchen muss, sobald es sein Zustand zulässt, denn es könnte sein, dass nicht mehr so viel Zeit blieb….
In den frühen Morgenstunden war ich wieder zu Hause und verbrachte den Vormittag damit, Schlaf nachzuholen. An diesem Vormittag verstarb er….
Ich erfuhr am Nachmittag von seinem Tod, meine Welt blieb für einen Moment stehen und als sie sich weiter drehte, war nichts mehr so wie es einmal war. Das Konzert zwei Tage später in Mönchengladbach, erlebte ich wie in Schockstarre. Das einzige woran ich mich im Nachhinein erinnere, ist „Glück“ am Stegende, wo ich Rotz und Wasser geheult habe und Herbert mich eine gefühlte Ewigkeit lang angeguckt hat.

Das Konzert in Beverungen, was eigentlich als nächstes auf meinen Tourplan gestanden hätte, ließ ich ganz ausfallen. Meine Tochter hat mir davon berichtet und es muss wirklich ein ganz besonderes Konzert gewesen sein. Das hat mich in meiner Entscheidung aber nur bestätigt. Ich hätte es nicht genießen können mit dem Wissen im Kopf am nächsten Tag, diesen lieben Menschen beerdigen zu müssen.
Trotz der Beerdigung entschied ich mich dafür, das Konzert in Dresden mitzumachen und hier muss ich nochmal ein ganz dickes DANKE an dieses beste Forum der Welt sagen. Ich war wahnsinnig gerührt und dankbar, mit welcher Selbstverständlichkeit ihr mir alle einen Platz freigehalten habt, mit wie viel Mitgefühl ihr mir euer Ohr und eure Schulter geliehen habt und meine Traurigkeit ertragen habt.
Es ist so schön, dass es euch gibt!
Ich brauchte an diesem Abend ein bißchen, um im Kopf die Leinen los zu bekommen aber dann ist es mir doch gelungen, das Konzert zu genießen. Herbert war super in Form, diesmal gab es wieder „Leb in meiner Welt“ als Sonderzugabe. Den Abend dann noch mit ein paar anderen Verrückten in der WG ausklingen zu lassen, war sehr schön.
Vier Tage später machte ich mich dann auf den Weg ins knapp 800 km entfernte Salzburg. Mein kleines Würstchen musste all ihre Überredungskünste aufbringen, um mich davon zu überzeugen, nach Salzburg zu fahren (Danke, Aileen), heute weiß ich, ich würde es immer wieder tun.
Die Österreicher haben irgendwie eine ganz besondere Zuneigung, die vom ersten Ton an spürbar war und sofort für eine unglaubliche Atmosphäre sorgte. Ein absolutes Highlight auf dieser Tour war für mich sowieso schon „Glück“, das er ja am Stegende spielte. Als er in Salzburg direkt im Anschluss „Ich hab dich lieb“ anstimmte, war ich völlig aus dem Häuschen. An diesem Abend glaubte ich, DAS war es, besser geht nicht mehr…. Ich konnte ja nicht ahnen, was mich noch alles erwartete.
Zunächst war ich froh über die Tourpause, froh darüber, die emotionale Achterbahn der letzten drei Wochen ein bißchen zu verarbeiten.
Am 30.06 ging es dann weiter mit dem Konzert auf der Loreley, auf das ich mich schon im Vorfeld ganz besonders gefreut hatte. Irgendwie ahnte ich schon beim Warten am Einlass, dass heute etwas ganz Besonderes passieren würde und schon bei den ersten Takten von „Schiffsverkehr“ hab ich mich gefragt, was ich eigentlich in den letzten drei Wochen gemacht habe.
Auch Herbert wirkte als hätte er in den letzten drei Wochen ständig mit den Füßen geschart, um endlich wieder auf die Bühne zu kommen. Insgesamt ging er dreimal die Treppen runter, um mit uns auf Tuchfühlung zu gehen und bei „Alkohol“ war es dann soweit. Plötzlich stand er aufgebaut genau vor mir, ich konnte ihn nur anstarren und genießen als er da so in voller Pracht vor mir stand und ich hab keine Ahnung, was ihn dazu hingerissen hat, mir plötzlich den Kopf zu tätscheln…. Ich weiß nur, dass es nie, wirklich nie in den 20 Jahren, die ich nun schon seine Konzerte besuche, einen besseren Zeitpunkt für diese Geste gegeben hätte. Ich war raus „aus dem grauen Tal der Tränen“….. wenn ich einen perfekten Tag beschreiben müsste, es wäre der 30. Juni 2012!
Nach diesen Momenten auf der Loreley war eigentlich klar, dass es ein paar Tage später in Rendsburg nicht soooo der Knaller werden könnte. Die Norddeutschen scheinen ja sowieso eher etwas zurückhaltend und am Ende konnte ich zwar sagen, es war ein schöner Abend aber Herbert hatte doch ganz schön Mühe, um die Massen in Schwung zu bringen. Witzig die Sache mit der Currywurst…. Herbert hatte gleich zu Beginn des Konzerts Pommes für alle geordert – aber bitte aus den guten norddeutschen Kartoffeln (wie heißen die noch gleich). Die Bestellung traf dann mit ca. 2-stündiger Verspätung ein, Herbert probierte gleich ein paar, obwohl er kurz vorher noch sagte, dass er jetzt – wo es schon nach 22.00 Uhr war – keine Kohlehydrate mehr zu sich nähme. Dann ging er ans Klavier, wir erwarteten „Glück“ und Herbert haute ganz spontan die „Currywurst“ raus.
Rendsburg war mein letztes Deutschlandkonzert, ehe ich mich auf die Bruneck-Locarno-Montreux-Tour machte. Ganz großspurig hab ich noch erzählt, dass ich in diesem Jahr noch „kein einziges Regenkonzert“ hatte und sicherlich nicht im Süden damit rechnen müsste.
Nach 11-stündiger Zugfahrt aus dem Ruhrgebiet wurden wir gleich am Bahnhof mit einem mächtigen Unwetter und vielen lieben LV-lern begrüßt.
Beim Konzert gab es dann für mich auch wieder eine Premiere. Nach dem Einlass und einem recht entspannten Run in die 1. Reihe setzte dann das nächste Sommergewitter ein und wir wurden aufgefordert, den Bühnenbereich zu verlassen, den Securities erschien das zu gefährlich. Notdürftig suchten wir Schutz unter einem Bierstand, konnten dann nach ein paar Minuten aber wieder ganz entspannt unsere alten Plätze in der ersten Reihe einnehmen. Trotz heftigen Regen auch während des Konzertes war es ein wunderbarer, ein traumhafter Abend. Zum zweiten Mal auf dieser Tour kam ich in den Genuss, „Ich hab dich lieb“ hören zu können, diesmal spielte er es vor „Glück“, außerdem haute er diesmal noch „Ich will mehr“ raus. Wieder einmal bestätigte sich, dass der Regen aber sowas von egal ist, sobald Herbert auf der Bühne steht und es wurde wieder ein richtig tolles Konzert in sehr außergewöhnlicher Umgebung mitten auf den Rathausplatz in Bruneck in Südtirol.
Ganz entspannt brachen wir am nächsten Tag nach Locarno auf, wo wir den Abend damit verbrachten, Elton John zu lauschen, der an diesem Abend auf dem Piazza Grande spielte, die Füße in den Lago Maggiore zu halten und eine Flasche Baileys zu leeren.
Auch das Konzert in Locarno wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis und das nicht nur weil es – wider Erwarten – mein zweites Regenkonzert auf dieser Tour wurde. Auch hier hat den ganzen Tag einfach alles gepasst. Eine wunderbare Location, entspanntes Basteln mit den anderen Verrückten, ein relativ entspannter Run in die erste Reihe, bei dem ich meine Tochter in Großaufnahme auf den Videoleinwänden rechts und links der Bühne beobachten konnte. Es gab so viele schöne Momente bei diesem Konzert, dass ich gar nichts besonders hervorheben möchte. Herbert war unfassbar gut drauf und der Regen tat der Stimmung keinen Abbruch.
Kaum zu glauben, dass am nächsten Tag tatsächlich das Abschlusskonzert anstehen sollte. Unfassbar aufgeregt machten wir uns in aller Frühe auf den Weg nach Montreux. Ein großer Dank an Mambo, mein Held!
Um das Konzert in Montreux zu beschreiben, gehen mir so langsam die Superlative aus….
Wir waren wohl alle im Vorfeld ein bißchen melancholisch, dass nach diesem Konzert die Segel endgültig wieder eingeholt werden müssen und ausgerechnet an diesem Konzert gab es so einen katastrophalen Einlass…. Alle, die bis zum Einlass da waren, wurden zunächst eine Treppe raufgelassen und standen dort dann vor verschlossenen Türen. Wenn ich das richtig gesehen habe, gab es insgesamt vier Türen, die alle NICHT zeitgleich geöffnet wurden. Ob man an der richtigen Tür stand, war ein Lotteriespiel.

Mit viel Glück hab ich es in die erste Reihe zu meiner kleinen Wurst geschafft, trotzdem war es sehr schade, dass die LV so völlig auseinander gerissen wurde.
Das Konzert war dann aber der absolute Hammer und hat für das ganze Chaos am Einlass absolut entschädigt. Eine traumhafte Setlist, ein wunderschönes Konzert und wenn man sieht, mit wie viel Freude Herbert und auch die komplette Band auf der Bühne steht, kann man sich gar nicht vorstellen, dass es lange dauern wird, bis man sie wieder live sehen wird.
Seit Jahren wünsche ich mir mal wieder „Der Mond ist aufgegangen“ als Abschluss, auf der Menschtour fand ich das immer so traumhaft, auf der 12-Tour hat er es ganz selten noch mal gebracht und seit letztem Jahr war ich mir ziemlich sicher, dass dieser Wunsch wohl unerfüllt bleiben wird.
Bei den ersten Takten hab ich dann gleich völlig die Fassung verloren und gedacht, ich träume…. Es hätte für mich keinen schöneren Abschluss geben können.
Tja und nun ist wirklich erst mal Schluss….nun sitz ich hier zu Hause zwischen Melancholie und wunderschönen Erinnerungen, die mir keiner mehr nehmen kann.
Es war eine wahnsinnig aufregende, intensive, emotionale Zeit mit so vielen wunderbaren Momenten für die ich unglaublich dankbar bin. Ich bin so froh, dass ich vor nunmehr neun Jahren dieses Forum hier gefunden habe. Einen Haufen von Leuten, die genau so ticken wie ich, mit denen Träume wahr werden.

Ihr fehlt mir und ich hoffe, dass Herbert nicht so lange fort bleibt!







__________________
Wenn der harte Regen auf mich fällt, wasch ich mit ihm mein Gesicht
Currywurst71 ist offline   Mit Zitat antworten