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Alt 16.07.2012, 19:54   #297
JJ
Darum öffnet Eure Pforten
 
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JJ ist ein wunderbarer AnblickJJ ist ein wunderbarer AnblickJJ ist ein wunderbarer AnblickJJ ist ein wunderbarer AnblickJJ ist ein wunderbarer AnblickJJ ist ein wunderbarer AnblickJJ ist ein wunderbarer Anblick
AW: Montreux 14. Juli 2012 live@LV.de - Ohne Dich ist es trübe

Nach fast einer Woche habe ich nun für einige Minuten wieder einen Computer vor mir, der funktioniert, ich will mal den nahezu unmöglichen Versuch starten, meine Gedanken der letzten Tage etwas zu ordnen.

Für mich begann die Anreise bereits am Freitag abend, zwischen 3 und 5 Uhr musste ich eine Stunde in Köln ausharren und habe spontan die Möglichkeit genutzt, um um den Dom herumzugehen und dabei zu beten; das wird kaum jemand interessieren und manche finden vielleicht, es passt nicht, wenn jemand rational denkendes wie ich einen Glauben oder so was betreibt, aber es wird einen Bogen zum Konzert schließen, und in Anbetracht der lebensverändernden, bzw. -verkürzenden Diagnose, die ich schon länger befürchtet hatte und die mein behandelnder Doktor mir genau heute vor 4 Wochen in mögliche Aussicht gestellt hat, von alledem ich mir aber vor, während und nach der Konzerte äußerst wenig habe anmerken lassen, in Anbetracht alldessen scheint es mir mittlerweile sehr vernünftig, auch auf Hilfe von ganz oben zu hoffen, und nach alldem, was ich die letzten Wochen erleben durfte (für die ich übrigens sehr dankbar bin, dass ich sie so problemlos nutzen konnte), habe ich keinen Zweifel mehr daran, dass es irgendeine höhere Macht oder ein Schicksal oder was auch immer in dieser Art gibt und dass das Leben auf irgendeine Art und Weise einen Sinn hat - letztendlich ist es eine Frage des Glaubens, aber ich für mich sehe genügend gute Gründe, dass alles einen größeren sinnvollen Zusammenhang hat und sich schlussendlich zum Guten fügt (insgeheim hoffe ich ja, dass mein aktuelles Problem sich auch noch irgendwie in den Griff kriegen lässt, nun ist die Tournee vorbei und es bieten sich damit keine Vorwände mehr an, das ganze vor sich hin zu schieben, aber das kennen die meisten bestimmt, dass manche Aufschübe im Leben sich nach genügend langer Stauzeit bumerangartig die allergrößte Mühe geben, einem die Konsequenzen um die Ohren zu schlagen)...

...huch, ich wollte eigentlich was über das Konzert in Montreux schreiben. Zunächst einmal will ich bemerken, dass mein Französisch gar nicht sooooo bemerkenswert und fließend ist wie manche es ohne Anhaltspunkt dachten, es ist schon fast 10 Jahre her, als ich es das letzte Mal aktiv in der Schule hatte und seitdem habe ich es gar nicht mehr geschrieben, gesprochen oder sonstwie genutzt - das, was in verkümmertem Zustand übrig geblieben ist, hat aber offenbar gereicht, um mich einigermaßen zu verständigen. Diese Reise war übrigens meine 1. überhaupt in eine Region, deren Sprache ich mal (außer deutsch) gelernt habe, also sprich, ich war vorher weder noch nie auf englisch-, französisch- oder spanischsprachigem Boden gewesen. Und weil es mir so sehr gefallen hat, französisch zu sprechen, habe ich unten an der Seepromenade einige Gespräche mit einzelnen Standbetreibern angefangen (es ging u.a. um Hautkrebs, Organspende, Tierschutz und noch irgendwelches Zeug, welches man fast direkt mit einem Jazz-Festival assoziiert).

Dort unten entlang des Sees traf ich dann auch ein paar Musiker, als erstes Jakob (habe ich aber nicht angesprochen, weil er mit 2 Damen, die einen ihm sehr vertrauten Eindruck machten, dort langschlenderte, vielleicht waren es Frau und Tochter oder so), dann Norbert (zu dem hab ich keinen besonders guten Draht, deshalb spreche ich ihn gar nicht mehr an), direkt dahinter Celina und Pitt (der mich ohne mein Zutun freundlich angenickt hat, ich nickte zurück und wir sagten uns dann Hallo), einige Meter weiter traf ich Mark, der, wenn ich ihn richtig verstanden habe, noch lange nicht in Abschlussstimmung war und das wars dann auch schon gewesen. Weiter oben traf ich Tobias Kühnel (den ich dafür lobte, wie toll und souverän er seine halbe Orsons-Ansage in Rendsburg gemeistert hat), Harald Bullerjahn (der auf meine Prognose "Das wird bestimmt ein grandioses Konzert" sagte: "Das hat Herbert auch schon gesagt"), Hans-Jürgen Topf (der urplötzlich weg musste, weil Ingo Mertens mit einer blickdichten Limousine hielt, in die Harald Bullerjahn eingestiegen ist, ich kann mir nur schwer vorstellen, wo die gemeinsam hinwollten) und Olaf Schröter (der nach der nun beendeten Tour zu Westernhagen wechselt und mir nebenbei etwas verraten hat, was noch nicht an die große Glocke soll).

Und dann irgendwann, es war schon nach 5, ging ich noch einmal runter zum See und traute meinen Augen nicht: Einer meiner größten Lebensträume überhaupt wurde wahr und ich traf tatsächlich Frank Kirchner, das letzte Bandmitglied überhaupt, das ich noch nicht kennengelernt hatte. Außer der Information, dass ca. 5 besondere Lieder vorbereitet worden seien, schreibe ich hier aber gar nichts weiter über diese Begegnung, dafür erscheint sie mir deutlich zu besonders und zu privat. Nur eines will ich kurz unterbringen: Er ist ein sehr besonderer Mensch mit einer hochinteressanten Ausstrahlung - ein Kompliment, das ich nur äußert wenigen Menschen mache.

Über den Einlass schreibe ich mal nichts weiter, auch über Lila Bungalow (die mir persönlich deutlich besser gefallen haben als Die Orsons, vielleicht deshalb, weil die keinen Trompete spielenden Gitarristen haben) nicht, stattdessen kann ich direkt zum Konzert etwas schreiben. Nachdem ich ungewollterweise erfahren hatte, dass in Locarno Erzähl mir von morgen gespielt worden war, hatte ich mich ein bisschen drauf gespitzt, dass es vielleicht noch mal als Opener versucht wird - wurde es aber nicht. Macht nichts, dachte ich mir, vielleicht gibts das noch am Ende, immerhin wurden bis zu 5 besondere Lieder prophezeit und Andi Zabel hat noch kurz vorm Konzertbeginn mindestens 2 Einträge in der Setlist von Hand geändert.

Die 1. größere Überraschung gab es dann schon nach Der Weg, als er sich erneut ans Keyboard setzte und Leb in meiner Welt spielte. Damit hatte ich ehrlicherweise an der Stelle nicht gerechnet, damit ist es nun also auch ein Lied, das in der Mitte vom Konzert gespielt werden kann.

Als dann nach Zeit dass sich was dreht ein Mikrophonständer aufgestellt wurde, mmh, ich war mir fast sicher, dass Erzähl mir von Morgen dran kommt, für November war es noch viel zu früh, So wie ich hätte in dem Moment auch niemand gebraucht, also lief vieles auf Erzähl mir von morgen hinaus. Habe ich es eigentlich richtig verstanden, dass er es in Locarno der Gitarre wegen gespielt hat, auf der November nicht gegangen hätte, Erzähl mir von morgen oder SPUR aber sehr wohl?

Dann nahm alles seinen gewohnten Weg, erst alphabetisch (wie selten kommt es vor, dass 3 aufeinanderfolgende Lieder auch 3 aufeinanderfolgende Anfangsbuchstaben haben, vor allem, wo es so extrem wenige Lieder mit E und G gibt), dann albummäßig (ab Mambo direkt Stück für Stück 1 Bochum-, 1 Sprünge-, 1 Ö- und 1 Luxus-Lied), damit war es auch seit Düsseldorf 2005 1 das 1. Konzert mit einer stetigen Setlist (will heißen, dass es vom aktuellen bis zum ältesten vertretenen Album keines dazwischen gab, von dem nichts gespielt wurde, das wird in Zukunft bestimmt äußerst selten der Fall bleiben, es sei denn natürlich, er lässt von Sprünge und Luxus öfter mal was im Programm), dann nach der Aufforderung des Festival-Veranstalters wurde noch eine spontane Zugabe gespielt, bzw. ein ursprünglich aus- und zu diesem Zweck spontan wieder einsortiertes Lied namens Zum Meer und als dann die Zeit knapp wurde, gab es vielleicht aus einer spontanen Eingebung heraus noch Der Mond ist aufgegangen.

An dieser Stelle möchte ich nun den Bogen zum Anfang schließen: Eigentlich bin ich kein so großer Freund von religiösem Kram, auch nicht unbedingt von christlichen Liedern, aber seit etwa einem Jahr stehe ich dem ganzen etwas anders gegenüber, bete von Zeit zu Zeit, lebe irgendwie auf eine Art bewusster und halte auch von organisierter Religion ein kleines bisschen mehr (so lange ich nicht selbst irgendeiner beitrete, sondern für mich selbst glaube, was mir gefällt). Und gerade Der Mond ist aufgegangen enthält eine Strophe, die sollten sich mal viel mehr Leute (auch hier) zu Gemüte führen:

"Seht Ihr den Mond dort stehen,
er ist bloß halb zu sehen
und ist doch rund und schön.

So sind gar manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsere Augen sie nicht sehn."

Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, die letzten Wochen haben sich einige "Wunder" ereignet, großer und kleiner Art. Die wundersamen Erlebnisse, die ich alle im einzelnen wahrgenommen habe, gehören hier jetzt nicht alle hin, aber ich hoffe, ich spreche einzelnen aus der Seele, dass auch sie durch die Konzerte auf irgendeine Art verzaubert wurden (zum Beispiel kam bei Wäre ich einfach nur feige oft so eine besondere Aura auf) und daraus Kraft getankt haben für viele Tage/Wochen/Monate (so viele sinds bestimmt auch wieder nicht, aber es soll weder etwas über die englische TV-Produktion im August noch über die geplante innerdeutsche Mini-Tournee im November an die große Glocke gehängt werden, und wehe, irgendjemand geht hierauf deutlich lesbar ein) ohne Konzerte.

Alleine manche der entstandenen Gruppenfotos sprechen Bände. Man sieht teilweise Leute, denen es eigentlich schon unangenehm ist, mit manchen ihrer Mitmenschen auf demselben Kontinent zu leben, nebeneinander, lächelnd, irgendwie gemeinsam an etwas glaubend - und das obendrein ohne denjednigen in ihrer Mitte, der das alles zu verantworten hat.

Nun muss ich mich erst mal, sofern es sich überhaupt noch lohnen sollte, auf die Suche nach einem neuen großen Lebensziel machen, nachdem einige am letzten Samstag erfüllt wurden, bzw. am frühen Morgen des drauffolgenden Sonntags oder anders ausgedrückt: 3 wesentliche Dinge, mit denen ich vorher mit mir selbst im unreinen war, sind jetzt in bester Ordnung: 1. Ich habe nun alle Bandmitglieder persönlich getroffen, 2. Das letzte Lied, das ich live gehört habe, war eines, mit dem ich als Abschlusslied zufrieden bin, Vollmond wäre es nicht gewesen und 3. Der letzte Mensch, den ich in den Arm genommen habe (was ich äußerst selten tu, bzw. was äußerst selten andere mit mir machen, das vorletzte Mal war im letzten November), ist nun nicht mehr ein widerliches Miststück namens Sonja, das ich mittlerweile als die größte menschliche Enttäuschung betrachte, die mir je über den Weg gelaufen ist, sondern einer der besondersten, interessantesten und liebenswürdigsten Menschen, den ich dieses Jahr zum 2. Mal kennen lernen durfte (Frank Kirchner ist es also nicht), ich will mich an dieser Stelle noch einmal explizit bedanken (ich glaube kaum, dass sich jemand falsches angesprochen fühlt; und ob jetzt irgendjemand von den außenstehenden mitlesenden sich irgendeinen Teil denkt oder auch nicht oder aus irgendeiner Laune heraus irgendwelche Gerüchte in die Welt setzen will: Bitte, wers braucht...), allein schon für die Gewissheit, dass mein Glaube an solche Werte wie Versöhnung, Vergebung, Aufarbeitung, Wiedergutmachung und all sowas nicht völlig an den Haaren herbeigezogen sein kann.

Da ich gerade beim Bedanken bin, ich habe in Montreux die Gelegenheit genutzt, einer so ziemlich überhaupt gar nicht wirklich bekannten einfach mal so zu danken ohne einen direkten Anlass, eher um des Dankens selbst Willen, sie schien etwas überrascht, nun rückblickend ist mir ein sehr guter Grund eingefallen: "Du tust mir nichts und das tust Du gut." Z.B. regen sich heute noch manche darüber auf, dass in Kassel eine einzelne Frau die Bühne gestürmt hat, aber über die hunderten von Zuschauern, die es gar nicht erst versucht haben, über die redet keiner. Aus Platzgründen danke ich jetzt nicht allen einzelnen, mit denen ich nichts zu tun habe, aber ich denke, das sollte auch mal erwähnt werden, dass eine neutrale Haltung seinem nächsten Gegenüber beileibe keine Selbstverständlichkeit ist. Damit hätte ich dann nun auch beinahe so gut wie allen aus jeweils unterschiedlichen Gründen meinen Dank ausgesprochen, einen besonderen Fall schließt das zwar immer noch aus, aber mir dafür jetzt auch noch eine Begründung auszudenken, das wäre ziemlich schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.

Mmh, ein echter Konzertbericht ist das jetzt nicht, aber irgendjemand wird sich schon finden, der sich das alles durchliest!

Eine Anmerkung in eigener Sache noch, nachdem in letzter Zeit einige Jubiläen gefeiert wurden: Heute bin ich auf den Tag genau seit 10 Jahren hier angemeldet, die habe ich zum Glück nicht durchgehend hier verbracht, aber teilweise muss ich schon sagen, ich glaube, die letzten 10 Jahre hätten ohne diesen Laden einen deutlich anderen Verlauf genommen, ob nun besser oder schlechter, lässt sich nicht beurteilen, aber ganz bestimmt anders!
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Auch wenn Du mich verklagst
und Du schwörst, dass Du mich magst,
ist mir alles so egal
.

Ob Du fauchst oder ob Du beißt,
mich verwirrt nennst oder unreif,
Rache schwörst zum jüngsten Tag.

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