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Alt 24.05.2003, 07:01   #149
Charly
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Vor einigen Jahren hätte ich mir schon vorstellen können, dass ich von hier aus dem Süden tief in den Westen nach Bochum oder Dortmund fahre. Der einzig denkbare Grund dafür wäre ein Fußballspiel gewesen. Aber nachdem ich in Rostock war, als der KSC abstieg, dachte ich lasse das besser sein. Vielleicht bringe ich ja Unglück und meine Anwesenheit setzt bei den Spielern noch mehr negative Energie frei, als das ohnehin schon der Fall ist. Grundsätzlich hält sich bei mir aber die Sehnsucht, an anderen Orten zu sein, in Grenzen. Ich glaube nicht, dass das Glück eines Menschen sehr von dem Ort abhängt, an dem er lebt, wenn gewisse soziale und ökonomische Voraussetzungen erfüllt sind, viel mehr scheint mir aber die Zeit, in der wir leben, auf unser Glück zu wirken. Trotz meiner Abneigung den Ort zu wechseln, habe ich mich entschlossen, am 10.Mai nach Bochum zu fahren. Ich musste die Gelegenheit einfach wahrnehmen und H.G. in seinem Bochum erleben. Nein, nicht in seinem Revier, das ist der andere, den ich für nichtssagend und öde halte. Er sieht das wohl auch nicht so, sondern betrachtet Bochum „als den Ort an dem ich wirklich ruhig schlafen kann". Gerade ich weiß, wie lebenswichtig das Schlafen sein kann. Ich halte die Erfindung des Schlafmittels für sehr wichtig. Die Zivilisation unserer Welt macht Schlafmittel zu einem Lebensmittel ohne das man in bestimmten Zeiten nicht überleben kann. Die Perfektion unserer Zivilastion wurde zeitgleich mit von der Perfektion des Schlafmittels begleitet ohne das sie wirklich öfter unerträglich wäre.
Wir fuhren an diesem Samstagmorgen gegen 11.30 los. „Wir" das sind meine Begleiterin und ich. Wer sie ist, hat diesem Zusammenhang keine besondere Bedeutung, sie spielte eine Nebenrolle. Sicher würde sie gegen diese Beschreibung ihrer Person protestieren und sie spielt ja in meinem Leben auch keine Nebenrolle, sondern nur in dem Zusammenhang, den ich hier beschreibe. Wir fuhren schnell und die Fahrt war problemlos. Das erste Bemerkenswerte spielte sich bei Köln ab. Meine Begleiterin sagte: „Da ist ja gerade Mülheim". Ich entgegnete hier, dass das nicht die Stadt Mülheim sei, sondern ein Stadtteil von Köln. „Ach ja" meinte sie selbstgefällig, „Mühlheim" schreibt man ja auch mit einem „h". Ich musste sie erneut berichtigen: "Mülheim schreibt man keineswegs mit einem „h" und auch nicht mit doppeltem „l". Auch das glaubte ich zuverlässig zu wissen. So viel Wissen traute mir meine Begleiterin wiederum nicht zu und sie stellte mehr sich als mir die Frage:" Woher willst du das den wissen?" Bevor ich, wenn überhaupt, weiter analysieren, wollte wie weit und wie schnell sich meine geografische Unkenntnis verbreitet hatten, kam mir ein ganz anderer Gedanke. Meine Begleiterin ist einer jener Menschen, die hundert richtigen Antworten auf ihre Fragen vergisst um sich um so mehr an einer falschen Antwort festzukrallen. Auf diese falsche Antwort wird dauernd Bezug genommen: „Damals hast Du das ja auch nicht richtig gewusst, erinnerst du dich?". Eigentlich sind mir solche Menschen mit dieser Wesensart unsympathisch und zuwider. Meine Begleiterin hat noch weitere Wesenszüge und Charaktereigenschaft, die ich allesamt nicht sehr mag und von denen ich hoffe, dass sie sich bei mir nicht finden lassen. Dennoch ist sie mir insgesamt überaus sympathisch, ja ich mag sie, schätze und genieße sogar ihre Anwesenheit. Wie ist so ein Phänomen erklärbar? Ich glaube , dass jeder Mensch einen stabilen Wesenskern besitzt. Bestimmte seiner Verhaltensweisen entsprechen nicht diesem Kern und sind nicht aus ihm ableitbar. Vielleicht sind sie durch soziale Umstände und Einflüsse aus der realen Welt entstanden. Sie beeinflussen den Wesenskern allerdings nicht und sind von ihm unabhängig. Dieser Kern muss es wohl sein, den ich an meiner Begleiterin so liebe. Im übrigen war ich mir sicher, dass ich genau weiß wie „Mülheim" korrekt geschrieben wird. Wir fuhren weiter in Richtung Bochum, vorbei an Mülheim und Essen. Gegen 16 Uhr kamen wir in und Bochum an und fanden das Hotel, das unmittelbar am Ruhrstadion liegt, auch sofort. Ich hatte dieses Hotel unter anderem gewählt, weil damit die Möglichkeit verbunden war, kostengünstig zu parken. Der Preis sollte 9 Euro betragen, was mir preiswert erschien. Allerdings musste der Parkplatz vorher reserviert werde und genau das hatte ich wohl übersehen. Alle Parkmöglichkeiten waren zu unserer Ankunftszeit besetzt und wir waren gezwungen eine andere Abstellmöglichkeit zu suchen. Ich fuhr mehr zufällig weiter, fast in verkehrter Richtung in eine Einbahnstrasse und fand unmittelbar in der Nähe des Hotels, etwa in einem Abstand von 300 m ein nicht so schön anzusehendes Parkhaus und rechnete mit dem schlimmsten, was den Preis anging. Ich wurde überrascht. Man konnte den Wagen bis zum nächsten Morgen um 10 Uhr für nur 3 Euro, die man allerdings im Voraus bezahlen musste, parken. Oft glaubt man die beste Lösung eines Problems gefunden zu haben und versteigert sich sogar zur Aussage, dass es gar keine andere Lösung geben könne. Aber was ist die Wahrheit? Man selbst hat keine andere Lösung gefunden, weil man im besten Fall zu faul war nach ihr zu suchen. Meistens jedoch hindert uns das Fehlen der nötigen Phantasie, mangelnde Flexibilität, Mutlosigkeit und Verzagen, aber in den meisten Fällen wohl Dummheit, alle unsere Möglichkeiten zu erkennen und sie auch auszuschöpfen. Wir liefen die wenigen Meter zu unseren Zimmern, vorbei an den Trainingsanlagen des VfL Bochum Als ich in meinem Zimmer ankam, stellte ich fest, dass ich direkten Einblick in das Ruhrstadion hatte und dort war offenbar gerade Soundcheck. Ich hörte einige Wortfetzen: „ Man glaubt der Regen tut einem nichts..............Blick zurück....Sommerträume liegen vor der Tür.....Zweifel werden weggewischt.........ich kenn mein Ziel.........du wirst nicht weise............weil du dir genügst.........es bleibt der Krieg.......einarmiger Bandit der Tragik stiehlt und Hoffnung gibt...........Blick ins Licht, dein Blick zurück." Ich begann mich auf den das Konzert unheimlich zu freuen, die Stimmung war da und ich summte etwas mit. Genau dieses Lied würde das erste sein, so hatte man mir gesagt und es war ja auch während der Wintertournee immer so.
Wir gingen bereits gegen 17 Uhr in Richtung Stadion, obwohl das Konzert erst gegen 20 Uhr beginnen sollte. Später stellte sich dann aber tatsächlich eine zwanzig minütige Verspätung ein. Mein Begleiterin ordnete in einem sehr bestimmenden Ton diesen frühen Aufbruch an und ich fügte mich. Ja, wir beide hören in bestimmten Fällen und Breichen aufeinander. Das tun wir wohl genau dann, wenn es für den anderen gut ist. Das war für mich immer eine wichtige Lebensstrategie. Ich weiß sehr wenig, kann sehr wenig wirklich richtig und es gab immer Menschen, auf die ich mich verlassen konnte, wenn meine eigene Unsicherheit so groß wurde, dass ich sie nicht mehr überwinden konnte.
Meiner Begleiterin gelingt es immer mich bei solchen Konzerten in den Innenraum zu manövrieren. Die Zahl der Plätze dort ist sehr gering und das ist auch der Grund dafür, weshalb wir so früh in das Stadion gehen. Bei den ersten Konzerten wollte ich das eigentlich nicht, aber im Laufe der Zeit habe ich mich daran gewöhnt da zu sein. So ist es mit vielem bei mir. Zunächst habe ich gegen gewisse Verhaltensweisen eine Abneigung, weil sie mir nicht genug vertraut sind. Ich werde erst sicherer und fühle mich wohler, wenn ich eine Erfahrung mehrfach gemacht habe. Nach einigen Wiederholungen derselben Erfahrung glaube ich dann, dass ich nur noch so glücklich sein kann. Neue Erfahrungen finde ich also zunächst mal als störend oder zumindest als unbequem. Sie hat es auch in Bochum geschafft und ich war also im Innenraum, unmittelbar vor der Bühne. Da noch sehr viel Zeit war, bis das Konzert beginnen würde, setzte ich mich auf den Boden mit dem Rücken gegen eine Abstellwand gelehnt. Ich schloss meine Augen und die tief stehende Frühlingssonne, die nicht zu kräftig war, schien in mein Gesicht. Ich begann nachdenklich zu werden, darüber nämlich, was menschliches Glück ausmacht. Wir haben alle viele Ziele in unserem Leben. Jemand sagte neulich ganz richtig zu mir: „ wer keine Ziele mehr hat, beginnt zu sterben, weil er aufhört zu leben.“ Diese vielen Ziele, die wir uns setzen, von deren Realisierung wir träumen, können wir natürlich nicht alle erreichen. Gerade dadurch, dass wir bestimmte Ziele nicht erreichen, wird das Glücksgefühl, das sich einstellt, wenn man wiederum andere Ziele erreicht hat, möglich. Es ist dasselbe, was Heidegger zum Leben sagt, wenn er schreibt, dass es ohne den Tod unerträglich wäre. Könnten wir alle Ziele erreichen, dann wissen wir letztlich nicht mehr, was ein Ziel ist. Erst die Möglichkeit des Scheiterns, eröffnet uns die Möglichkeit das Erreichen eines Zieles als Glück zu empfinden. Obwohl das ein völlig klarer Sachverhalt ist, neigen wir dennoch dazu, den Zielen, die wir nicht erreicht haben, nachzutrauern. Gerade dadurch aber werden wir unglücklich. An diesem Abend, in diesem Augenblick als ich da saß mit geschlossenen Augen, die Sonne meine Wangen wärmte, fragte ich mich, ob ich in diesem Moment glücklich bin. Ihr wisst ja: „Momentan ist richtig, momentan ist gut........." Mir fiel ein, dass etwas fehlte, mein Glückszustand schien unvollständig und lückenhaft zu sein. Fast fing ich an unglücklich zu werden, da ich mir einen noch glücklicheren Zustand vorstellen konnte. Dann wurde mir aber doch noch klar, dass immer noch mehr Glück zu wollen, gerade der Kern des Unglücklichseins ist. Ich genoss also den Augenblick und jetzt fehlte auch nichts mehr, zumindest an diesem Abend nicht. Ich wusste, dass ich das Ziel, von dessen Erreichen ich gerade vergeblich geträumt hatte, nicht aufgegeben hatte. Nein, denn dieses Ziel wird immer für mich existieren, selbst dann, wenn ich es nie erreichen werde. Nur an diesem Abend sollte es meinem Glück nicht im Weg stehen und nicht mein inneres Gleichgewicht stören.
Plötzlich fühlte ich, dass jemand unmittelbar neben mir stand. Meine Augen waren immer noch geschlossen. Ich öffnete also die Augen und schaute nach oben und sah, wie sie sehr konzentriert telefonierte. Ich stand auf, um sie mir etwas genauer anzuschauen. Sie war etwa mit dreißig, 170 cm groß, recht schlank und hatte dunkles Haar. Die Gesichtszüge waren recht streng, was mir auf Intelligenz hinzuweisen schien. Es viel mir eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Frau auf, die ich kenne, aber die ich nicht genau genug kenne, um sagen zu können, ob sie das wirklich war. Ich bemerkte, wie in meinem Kopf Wirklichkeit, Vorstellung und Wunsch gegeneinander ankämpften. Ich begann den Boden unter den Füßen zu verlieren: „Wieviel Sinne hat der Wahn“? Ich musste zu mir zurückfinden und ich half mir selbst dabei. Sie hat nicht so strenge Gesichtszüge, ihre Lippen waren nicht so schnippisch und sie war sicher auch schlanker. Natürlich war auch ihre Augen klüger und leuchteten stärker. Nein, sie war diese Frau nicht, ich wurde mir immer sicherer von Sekunde zu Sekunde. Im übrigen sollte ich „ mein Hirn nicht so strapazieren, denn sie ist dort und ich bin hier.“ Nur in diesem Augenblick, an diesem Tag war ich ja auch dort. Die Störung ging vorüber und sie hörte nicht auf zu telefonieren. Inzwischen lief sie aber fast rennend dabei auf und ab. Ich wollte mich ablenken und begann mit dem Schreiben einer SMS. Vom technischen Ablauf her gesehen, zeige ich mich dabei nicht allzu geschickt. Trotzdem musste ich es versuchen und ich schrieb nur: „Ich grüsse Dich aus Bochum“. Nach einiger Zeit kam ihre Antwort und sie schrieb mir:“ ich wäre gerne dabei“. Darauf antwortete ich ihr erneut und schrieb:“ Du bist ja dabei, nämlich in meinen Gedanken“. Allerdings ging das ganze bei weitem nicht so schnell wie ich jetzt schreibe. Manche Dinge lerne ich nur sehr mühsam und das amüsiert einen Teil meiner Mitmenschen schon. Es war aber einfach schön, jemanden sagen zu können wie wohl ich mich gerade fühlte. Als Vorgruppe spielte eine Hiphop-Gruppe. Ich versuchte weg zu hören und irgendwie verging auch diese halbe Stunde.
Mögen andere ihren Superstar suchen – Bochum hat ihn gesehen. Um 20.23 eröffnete im Ruhstadion von über 30000 Zuschauern bejubelt ein "La Ola" im Ruhrstadion: Fünf-, sechsmal läuft die Welle ununterbrochen durchs weite Oval - wann hat es das zum letzten Mal in Bochum gegeben? Und dabei ist Herbert Grönemeyer noch nicht mal auf der Bühne. Seine Fans vertrieben sich die Wartezeit mit gemeinschaftlicher Euphorie, die zum Höhepunkt des Abends führte. Es explodiert in Jubel, als kurz vor halb neun dann die Hauptperson des Abends erscheint: Grönemeyer geht nah am Absperrzaun vorbei, schüttelt Hände, lässt sich minutenlang Zeit für den Weg bis zu dem langen Steg, der von der Bühne ins Publikum hinein führt.
Noch zu ebener Erde beginnt er zu singen; "Man glaubt, der Regen tut einem nichts / Der Sommer liegt hell auf dem Gesicht." Der Riesenjubel gilt natürlich den ersten Zeilen des wuchtig dahinrollenden Stücks "Blick zurück", weil der Gesang auch den weit hinten stehenden Fans bestätigt: "Herbie" ist da. Aber es könnte auch Freude über die Wahrheit dieser Songzeilen sein. Denn das sonnige, aber nicht übermäßig heiße Wetter tut alles, um aus dem ersten Musikspektakel im Ruhrstadion eine unbeschwerte Party werden zu lassen.
Dann kommt das erste Lied zu dem ich eine besondere Erfahrung habe, das einem Teil meines Lebens betraf: „ich dreh mich um dich“. Ich habe es immer wieder gehört als vor drei Jahren mein Freund Jobst an Krebs erkrankt war. Ich weiß heute nicht mehr, ob ich mir selbst damit Hoffnung gab. Als er verstorben war, habe ich es drei Jahre nicht mehr gehört. Ja, er hat „im Trüben gefischt“, fühlte sich verloren und ich wollte seine Qualen mildern. Es ging aber nicht, er blieb allein oder das was von ihm noch da war nach all dem Leid. Er war völlig verzweifelt. Einen Frau neben mir beginnt bei dem melancholisch traurigen Song zu weinen. Ich lege meinen Arm um sie. Das ist ein Verhalten, dass ich ausserhalb dieses Stadions nie gezeigt hätte. Sie sagte: „ Es sind die Errinerungen“ und ich wußte wie sehr Erinnerungen schmerzen können.
Den Löwenanteil zur guten Laune steuert freilich der 47-Jährige im T-hirt bei: Grönemeyer, der seit dem Hit "Männer" von 1984 als zuverlässige Bank im deutschen Popgeschäft gilt und mit der 2002 veröffentlichten Platte "Mensch" derzeit alle Rekorde sprengt, beweist seine außergewöhnliche Stärke als Livemusiker. Ohne Pause gibt er erstmal 90 Minuten lang Vollgas. Das melancholische Material von "Mensch" erweist sich live als erstaunlich dynamisch, die Hits (von "Alkohol" über "Halt mich" bis zu "Gib mir mein Herz zurück") machen aus den Fans einen vieltausendstimmigen Chor.
Grönemeyer, der vor seinem Auftritt drei Tage Konzertpause hatte, scheint alle Schleusen zu öffnen. Er singt sich geradezu die Seele aus dem Leib, mal im typisch gepresst-rauen Schmetterton, mal zart-brüchig, mal mit waidwundem Schmerz, mal mit ironischer Zackigkeit. Ruhe findet er nur kurz am E-Piano auf der Bühne, dann sprintet er schon wieder los, hin und her über die Bühne und immer wieder auf den Steg, seinem Publikum entgegen. Mit angewinkeltem Knie federt er den Steg entlang, als reite er auf dem Groove, den seine exzellente und variantenreich spielende Band in die Menge pumpt. Bis zur zweiten, im Reggaerhythmus endgültig für allgemeine Glückseligkeit sorgenden Version von "Mensch" (samt riesigem aufblasbarem Eisbär neben der Bühne) gibt es eine weitere Konzertstunde voller Höhepunkte.
Gegen 23 Uhr, die Band ist schon weg, ist Grönemeyer allein auf der Bühne, lost schelmisch grinsend immer wieder "La Ola" aus, bis er vor der Ausdauer der Fans kapituliert, glücklich erschöpft die Augen schließt und zum ersten Mal im ganzen Konzert einfach nur dasteht. Minutenlang tobt der Applaus. Dann winkt Herbie ins vom Vollmond beschienene Stadion, geht nochmals ans Piano, bringt mit seinem frechen Frühwerk "Moccaaugen" die Menge zum Lachen - und schickt "Bochum" als Abschiedslied hinterher. Und beim Weg aus dem Stadion fühlt man sich irgendwie getröstet.
Mag der Erfolg der Platte "Mensch" letztlich auch damit zusammenhängen, dass sie anrührende Trauerarbeit darstellt (der Krebstod seiner Frau vor viereinhalb Jahren liegt als scharfkantiges Fundament unter dem Wohlklang der neuen Lieder), beim Konzert wird mit solchen Emotionen nicht kokettiert. Dass es in seinen Liedern oft um persönlich Empfundenes gehe, sagt Grönemeyer nicht etwa vor der intimen Pianoballade "Der Weg", sondern vor dem bedrohlichen Song "Fanatisch", den er in coolem Jazzsound hervorraunt.
Kein Wunder, dass die über 30 000 Fans längst nicht genug hatten, als die Musiker kurz nach 22 Uhr erstmals von der Bühne gehen - um sich kurz darauf mit voller Energie in insgesamt vier Zugabenblöcke zu stürzen. Vom pulsierenden "Luxus" über den Volldampfrocker "Vollmond".
Als das Konzert zu Ende geht, gehe ich nach Hause in mein Hotelzimmer. Ich kann natürlich nicht einschlafen und trinke ein Glas des sündhaft teueren Rotweins, den das Hotel anbietet. Um mich von meinen eigenen Gedanke abzulenken, schalte ich den Ferseher ein. Nein, er ist nicht „ohne Bild und Ton“, das ZDF überträgt einen Boxkampf zwischen zwei Frauen. Ihre Gesichter sind blutbeschmiert und mich erfasst ein tiefer Ekel. Manche Dinge passen eben nicht zusammen, so auch dieser Abend und Boxen. Ich trinke noch ein Glas Wein und allmählich werde ich müde.
Am nächsten morgen fahre ich sehr früh und sehr schnell nach Hause. In zwei Stunden bin ich wieder in Karlsruhe trotz einiger Blitzanlagen, die mich am schnellen Weiterkommen hindern wollen. Die Rückfahrt geht wieder an Essen, Mülheim und Köln vorbei. Ich werde nachdenklich und gebe mir selbst zu bedenken, dass ich mich auf das Fahren konzentrieren sollte. In zweieinhalb Stunden sind wir zu Hause. Ich habe ein gutes Gefühl.
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