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Alt 06.04.2007, 15:06   #69
AlexDe
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AlexDe ist zur Zeit noch ein unbeschriebenes Blatt
AW: Gedanken rund um Gott, Religion und "Stück vom Himmel"

David und Glitzerndes Meer: ich fand eure Beiträge lesenswert! Sie passen gut – in eine tolerante und kirchlich beeinflusste Gesellschaft. Dort kann man stets zu Differenzierung aufrufen...und wird erhört... aber warum? Ich behaupte deshalb, weil der Club, dem die toleranten Menschen angehören, also die Kirche, selbst intolerant ist! Oder will jemand hier allen ernstes die Toleranz der Kirche preisen?

Wir reden also grds. die gleiche Sprache, weil wir offen sind. Die Kirche ist es aber nicht! Und das kritisiere ich. Sie stellt allzu früh die Weichen, um nichts dem Zufall zu überlassen. Sie baute auf den Ängsten und Nöten der Menschen eine Welt auf, die nach links und rechts extrem begrenzt war und ist. Sie gibt Werte vor, die man nicht brechen darf. Im Rahmen dieser Intoleranz musste diese Religion fundamentalistisch werden!

Liest man die Bibel, wundert das aber auch nicht. Ein Beispiel für die Toleranz und Weitsicht Gottes im Alten Testament ist 1. Mose 6; 5-7: „Und der Herr sah, dass die Bosheit des Menschen auf der Erde gross war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag. Und es reute den Herrn, dass er den Menschen auf der Erde gemacht hatte, und es bekümmerte ihn in sein Herz hinein. Und der Herr sprach: Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, von der Fläche des Erdbodens auslöschen, vom Menschen bis zum Vieh, bis zu den kriechenden Tieren und bis zu den Vögeln des Himmels; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe."

Dass dieser Text in sich vollkommen unlogisch für einen – so von der Kirche gesehenen - allmächtigen Schöpfer ist, lassen wir einmal beiseite. Schauen wir uns stattdessen ein weiteres Beispiel an, wie Gott mit sündigen Menschen umgeht. Nur wenige Zeilen später liest man im Buch Genesis, dass Gott Sodom und Gomorra wegen der Sünden seiner Bewohner (wegen der hiernach benannten Sodomie) vernichtet. Nur Lot entgeht mit seiner Familie dem Tod (1.Mos 19). Zuvor verhandelt noch Abraham mit Gott, um das Unheil abzuwenden (1.Mos 18,16ff), scheitert aber mangels genügend Gerechter in Sodom. Hier gilt also die Sippenhaftung - ein sehr "gerechtes" Vorgehen des gütigen Gottes muss man ja sagen. Lots Frau stirbt auf der Flucht allein deswegen, weil sie sich umsieht, gegen die ausdrückliche Anweisung Gottes. Lot, der einzige Gerechte von Sodom, schwängert danach „im Suff“ seine beiden Töchter. Weder Lot noch seine Töchter werden dafür bestraft. Hier ist Gott wieder kulant.

Im Ergebnis meine ich, ist ein fundamentalistisches Bibelverständnis nicht nur von der Bibel selbst gewollt, sondern sogar logische Konsequenz der teilweise haarsträubenden Texte. Dieses fundamentalistische Bild führten die meisten Päpste fort und sahen in Textpassagen, wie den eben genannten auch ihre Rechtfertigung für schon beschriebene Greueltaten.

Mir fällt in der Diskussion nur immer auf, dass pro-Kirchler abstrakt mit eigenen Werten argumentieren, insbes. ihr persönliches Verständnis zur Grundlage der Diskussion machen, während ich als Kritiker mich einfach nur an die Fakten halte. Irgendwie hat es die Kirche also geschafft, den Verstand ihrer Anhänger zu manipulieren.

Noch zwei, drei Sätze zu den Evangelien. Alle kanonischen Evangelien sind nicht zeitgenössisch. Sie entstanden zwischen 70-80 (Markus) bis 140 n.Chr. (Johannes). Die Evangelien sind also die Produkte der späteren Gemeindephantasie. Die Gemeinde ist der eigentliche Gestalter des Christusbildes gewesen. Uralte Mythen standen dabei Pate, wie etwa die griechische Mythologie des Gottes Zeus, dessen Sohn Dionysos ebenfalls von einer sterblichen Frau geboren wurde. Wie Jesus, litt Dionysos zu irdischen Lebzeiten und starb. Wie Jesus, stand auch Dionysos der Mythologie nach wieder von den Toten auf. Er war im 8. vorchristlichen Jahrhundert Lieblingsgott der antiken Welt, und wie der Name Jesus zur Zeit des Urchristentums weit verbreitet war, wurde ebenso der Name Dionysos im Zuge der religiösen Überzeugungen immer häufiger verwandt. Wie Dionysos als "Gott des Weines" verehrt wurde, nahm auch Jesus diese Rolle auf, indem er bspw. "Wasser zu Wein" machte.

Neben Dionysos lag der Kult des Asklepios aus dem 5. Jahrhundert v.Chr. sowie des Herakles offenkundig bei der Verfassung der Evangelien zugrunde. Während Asklepios' Wunderheilungen vollbrachte und ihm die Bezeichnung "Heiland" zugeschrieben wurde, wurde auch Herakles als Kind in der Wiege verfolgt. Herakles' letzten Worte waren: "Es ist vollbracht". Ein Zitat, dass Johannes Mitte des 2. Jahrhunderts ebenfalls als letzte Worte Jesu übernahm (Joh 19, 30) - ich hatte es weiter oben auch schon erwähnt. Davon ist in allen drei älteren Evangelien keine Rede. Der beabsichtigte Aufbau der Evangelien als Grundlage einer christlichen Religion ist darin nicht zu übersehen. Auch dazu hatte ich oben schon ausgeführt.

Versucht man aus den Evangelien ausschließlich Neues zu filtern, das nicht bereits in den vorchristlichen Kulten und Religionen Verwendung fand, so müssen wir nüchtern feststellen, dass nahezu alles übernommen wurde. Und dort, wo andere Kulte nicht als Vorlage dienten, bediente man sich dem Alten Testament, das bereits lange den Maschiach ankündigte. Danach gehöre der Maschiach dem Stamm Juda an (Genesis 49,10) und müsse ein direkter Nachkomme in männlicher Linie (Sohn nach Sohn) von König David (1. Chronik 17,11; Psalm 89,29-38; Jeremia 33,17; 2. Samuel 7,12-16) und König Salomon sein (1. Chronik 22,10; 2. Chronik 7,18 ). Dies entspricht der Auffassung des Judentums. Wie wir alle wissen, war Jesus Jude.

Lange Rede kurzer Sinn: Ich fragte doch nur, warum darf ich nicht (woran auch immer) glauben und gleichzeitig Kirche ablehnen? ...denn „wir heißen selber auch“!

Allen frohe Ostertage!

Geändert von AlexDe (06.04.2007 um 16:02 Uhr).
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