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Alt 04.10.2013, 10:35   #117
adgxv2000
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adgxv2000 wird schon bald berühmt werden
AW: Konzert in Boulder, Colorado am 25.09.2013

Hallo liebe Grönemeyer-Fans,

ich bin zufällig auf dieses Forum gestoßen und habe mich angemeldet, um meine Eindrücke vom Grönemeyer-Konzert in Boulder, Colorado zu schildern.

Kurz um Hintergrund: es hat mich vor etwa sechs Jahren beruflich nach Denver verschlagen, wo ich irgendwie hängengeblieben bin, obwohl es ursprünglich nicht so geplant war. Groß geworden bin ich im Großraum Stuttgart. Ich bin ein großer Musik-Liebhaber und gehe auf viele Konzerte, vor allem Jazz, Klassik und Weltmusik, und habe in Stuttgart auch ehrenamtlich in einem kleinen Live-Klub, dem Laboratorium, mitgearbeitet und dort viele Konzerte veranstaltet und betreut. Das Lab ist über 40 Jahre alt und somit die älteste Einrichtung dieser Art in Stuttgart und vielleicht in der ganzen Republik.

Herbert Grönemeyer kenne und mag ich entsprechend schon sehr lange, ohne mich wirklich als Riesen-Fan bezeichnen zu können. Aber ich habe mir einige seiner LPs gebraucht auf Flohmärkten besorgt und immer mal wieder gern gehört, auch wenn mein Musikgeschmack sonst eigentlich eher in eine andere Richtung geht.

Ok, vor diesem Hintergrund habe ich also vor einigen Monaten zufällig mitgekriegt, dass Grönemeyer in Boulder, Colorado auftreten wird. Ich war Ende 2008 bei zwei Konzerten im Boulder Theater, James McMurtry und Magnetic Fields, und habe mich bei der Gelegenheit wohl irgendwie beim email-Newsletter dieses Veranstaltungsorts angemeldet, sonst hätte ich den Grönemeyer-Auftritt gar nicht mitgekriegt.

Als dann per Boulder Theater email die Nachricht kam, Grönemeyer gibt dort ein Konzert, war ich erstmal völlig perplex. Ich bin wie gesagt kein Riesen-Fan von ihm und war deshalb nicht auf dem Laufenden, dass er ein englischsprachiges Album rausgebracht hat und eine USA-Tournee plant. Und wenn mal prominente Rock-Acts in den USA unterwegs sind, dann sind diese vorzugsweise in den großen Metropolen der Ost- und Westküste zugange, nach Colorado verirrt sich da kaum mal jemand, geschweige denn auch noch ausgerechnet in das linksalternative College-Gebirgsdorf Boulder. Das kam mir irgendwie völlig surreal vor.

Ich habe mir den Termin dann natürlich dick vorgemerkt, und wollte mir auch gleich ne Karte besorgen, habs aber am Tag des Vorverkaufs-Starts verpasst. Ein paar Tage später gab es aber immer noch Karten in allen Kategorien, ein paar Wochen später ebenso, und kurz vor dem Konzert hieß es immer noch, Karten in allen Kategorien verfügbar. Also habe ich den Vorverkauf sausen lassen und mir gedacht, Abendkasse reicht offensichtlich auch.

Mit dem Boulder Theater war ich aufgrund der beiden Konzerte, die ich dort schon gesehen habe, vertraut. Das ist ein ehemaliges Kino mitten in der Fußgängerzone von Boulder, sehr schmuck und sehr edel zu einem kleinen, intimen Konzertsaal umfunktioniert. Für das Grönemeyer-Konzert war es komplett bestuhlt, was bedeutet: exakt 837 Plätze. Der Konzertbeginn war für 20.00 Uhr mit Vorgruppe angekündigt. Ich fahre also am Konzertabend mit dem Auto gegen 20.00 Uhr vor, parke problemlos mehr oder weniger direkt vor dem Gebäude, spaziere zur Abendkasse, an der kein einziger Mensch ansteht, verlange eine Karte, entrichte den Obolus von 32 US-Dollar, und spaziere in den Saal, der zu meiner Überraschung halbleer ist und es auch bleiben sollte. Es dürften etwa grob zwischen 500 und 600 Konzertbesucher gewesen sein, davon gut und gerne 97% Deutsche.

Ich lasse also die Musik der völlig belanglosen Vorgruppe verstreichen und warte in einer seltsam ungläubigen Stimmung auf den angeblichen Grönemeyer-Auftritt. Ok, auf der Karte steht Grönemeyer, auf dem Marquee draußen steht Grönemeyer, aber so richtig kann ich es immer noch nicht galuben, dass der Mann, der in Deutschland problemlos Fußballstadien füllt, hier jetzt in einem Kuhdorf in Colorado vor ein paar hundert Leuten auftretetn soll.

Dann ganz pünktlich um 20.58 geht das Licht aus, und erst kommt die Band auf die Bühne, kurz darauf gefolgt von, ja, in der Tat, Herbert Grönemeyer, mit einer Gitarre vor dem Bauch hängen. Was in den nächsten gut zwei Stunden folgen sollte, war für mich wie ein Rausch, ein Traum, eine Trance. Ich will jetzt niemanden mit der Setlist langweilen, zumal diese die gleiche gewesen sein dürfte wie bei allen seinen US-Auftritten.

Auf jeden Fall haben mich auch seine englischen Lieder, die er zunächst angestimmt hat, zu meiner Überraschung sofort fasziniert und in den Bann geschlagen, obwohl ich mit diesen überhaupt nicht vertraut war.

Dann kam nach einer halben Stunde oder so sein erster großer Hit: Was soll das, zunächst auf englisch. Da springt das Publikum erstmals geschlossen von den Sitzen auf, pure Ekstase. Als er dann nach zwei Strophen zum deutschen Original wechselt, orkanartige Ekstase.

So ging das dann den ganzen Abend weiter, immer im Wechsel die neueren englischen Lieder, die für mich neuen und überraschenden Klassiker-Covers (I'm on fire, The letter, Always on my mind), und seine großen Hits, zunächst in englischen Versionen, dann ins Deutsche überwechselnd. Nach etwa einer Stunde sind dann alle nur noch gestanden, haben mitgesungen und getanzt. Ich bin dann auch ganz nach vorne zur Bühne gegangen, was völlig problemlos möglich war, und habe Herbert Grönemeyer dann aus nächster Nähe genossen. Bei Bochum und Der Weg, den beiden Liedern, die er naheliegenderweise komplett auf deutsch gesungen hat, war Gänsehaut pur angesagt. Das Konzert hat er dann mit einem sehr schönen Randy-Newman-Cover ausklingen lassen.
Herbert Grönemeyer hat seine im übrigen sehr launigen Ansagen konsequent komplett auf Englisch gemacht, was ich auch vollkommen richtig finde. Es waren zwar nicht viele, aber doch einige Amerikaner im Publikum, und selbst wenn es nur ein einziger gewesen wäre, ist es einfach ein Gebot des Anstands und der Höflichkeit, sich bei der direkten Ansprache ans Publikum der Sprache zu bedienen, die alle verstehen, insbesondere wenn es sich auch noch um die Sprache des Gastgeberlandes handelt. Dass da einige Deutsche im Publikum mit der Deutschlandfahne gewedelt haben und mitten in die Ansage hinein "deutsch, deutsch, deutsch" skandiert haben, fand ich sehr unpassend und peinlich. Das sollte aber auch der einzige kleine Mißton bleiben.
Die andere Sache, die mich überrascht und fast ein wenig gerührt hat, war der Enthusiasmus und die Begeisterung, mit der Herbert Grönemeyer selbst und auch seine Band zu Werke gegangen sind. Er hat das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommen, hat über die Bühne getanzt wie ein Irrwisch und konnte gar nicht aufhören, sich immer und immer wieder zwischen den Songs beim Publikum zu bedanken. Es wirkte fast so, als könne er sein Glück kaum fassen, dass ihm ein paar hundert Hanseln zujubeln, wo er es ja eigentlich gewohnt ist, dass ihm ganze Fußballstadien zu Füßen liegen. Das fand ich überaus sympathisch und sehr anrührend.

Fazit: ich bin nicht als Grönemeyer-Fan groß geworden, bin mit seinem Oevre nur sehr rudimentär vertraut, habe eigentlich einen Musikgeschmackt, der sich nicht unbedingt mit dem deckt, was Grönemeyer macht, wäre in Deutschland nie auf die Idee gekommen, zu einem Grönemeyer-Stadion-Konzert zu gehen, und trotzdem: von den über tausend Konzerten, die ich als Veranstalter und Besucher erlebt habe, war dies eines der wenigen, an die ich mich mein ganzes Leben lang erinnern werde. Ein absoluter Traum. Und auf jeden Fall der Auslöser, mich jetzt intensiver mit dem Grönemeyer-Werk auseinanderzusetzen.
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