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Alt 08.04.2007, 00:10   #72
david
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david befindet sich auf einem aufstrebenden Ast
AW: Gedanken rund um Gott, Religion und "Stück vom Himmel"

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Zitat von AlexDe Beitrag anzeigen
Ja, das ist auch so eine Sache, die ich nie verstanden habe...vielleicht kannst du mir mal Nachhilfe geben.
Gerne, ich hoffe nur, es wird dann nicht offtopic....

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Zitat von AlexDe Beitrag anzeigen
Also, Gott der Allmächtige und Gütige schafft die Menschen... und u.a. den Baum der Erkenntnis... davon darf aber nicht gegessen werden, da er Gut und Böse verkörpert... Eva – eine aus einer männlichen Rippe geschnitzte Frau – bricht dieses Verbot. Aufgrund dieses Sündenfalls sind alle Menschen Sünder, Adam und Eva werden aus dem Garten Eden vertrieben... Frauen müssen fortan die Schmerzen der Geburt ertragen usw.... jetzt kommt einige tausend Jahre später Jesus, der Sohn Gottes, leidet und stirbt für die Sünden der Menschen. Und gemeint ist doch die Sünde des Sündenfall, richtig?
Deine knappe Zusammenfassung bezieht sich ja, wie du schonmal geschrieben hast, auf zwei verschiedene "Schöpfungsberichte". Allein die Tatsache, dass es zwei verschiedene, sich in wichtigen Punkten widersprechende Berichte gibt, zeigt (was angesichts unserer heutigen Wissenschaft sowieso kalr sein sollte), dass es sich hierbei nicht um im naturwissenschaftlichen Sinne wörtlich zu verstehende Texte handeln kann(und wenn das so beabsichtigt gewesen wäre, hätte das Judentum diese sich zum Teil widersprechenden Texte um ca.500 v. Chr. nicht so nebeneinander gestellt!). Vielmehr geht es um die sehr geistewissenschaftliche Frage nachdem Verhältnis Mensch - Gott, Mensch-Mensch, Mensch -Welt. Hier ist eine wichtige Aussagen, dass der Mensch Ebenbild Gottes ist. Das meint nicht, dass er wie Gott ist und nicht, dass er "göttlich" ist. Der Begriff "Ebenbild Gottes" ist eine im kulturellen Umfeld des Textes häufige Bezeichnung für Könige im Sinne von Gottes Statthalter u.ä. Der biblische Text sagt nun also, dass alle Menschen(Mann und Frau) "Könige" und "Gottes Statthalter" und somit alle gleichwertig sind. Dies ist eine sehr frühe Absage an Despotie, Unterdrückung, Unfehlbarkeitsdogma usw.

Aber zur Sünde...Auch im Sinne der Sünde ist der Text nicht als Tatsachenbericht zu sehen sondern als (Versuch einer) Antwort auf die Frage, warum der Mensch, vom guten Gott geschaffen, Böses tut. Und mit dieser Vorstellung des Sündenfalls ist alles gemeint was der Mensch Böses tut, also solches was ihm, seinen Mitmenschen und der Umwelt schadet. Die Begründung dieses Zustandes wird in der Trennung von Gott gesehen. Während du im Alten Testament und in der Kirchengeschichte sehr viel vom strafenden Gott liest/hörst, aber auch vom barmherzigen(!)(z.B. bei Jesaja), ist es im neuen Testament Jesus. Die Jungfrauengeburt ist eine auch theologisch äußerst umstrittene Sache und auch nur in der katholischen Kirche Dogma. Auch wann Jesus als "göttlich" identifiziert wird, ist in den Evangelien unterschiedlich(mal von Geburt an, mal bei der Taufe, mal erst nach der Auferstehung). Aber alle Evangelien sehen ihn als den bisher einzigen Menschen, der nicht von Gott getrennt ist und somit kein Sünder ist. Das führt zu seiner heftigen Auseinandersetzung mit der herrschenden Religion und so letztlich zur Kreuzigung. Durch die Auferstehung wird er von Gott bestätigt und hat als erster Mensch die Sünde und den Tod "besiegt". Somit zeichnet er den Weg vor, wie man Sünde und Tod überwindet. Wichtig ist hierbei, auf den Inhalt seiner Worte(Nächstenliebe, Feindesliebe, Vergebung...)als auch auf Geschichten wie "Jesus und die Ehebrecherin(Johannes 8 ) um festzustellen, dass es nicht im "fundamentalistische" Gesetzlichkeit geht, sondern eben um Haltung und Taten der Liebe zu Mensch und Schöpfung.
Jesus lebt, stirbt und aufersteht also für die Sünden der Menschen, um sie und damit das Leid der Menschen zu überwinden und sie davon freizumachen. Frohe Ostern!

In der Hinsicht ist das Luther-Zitat der von ihm sogenannte Chrsitenmensch sei "simul iustus et peccator"(Sünder und gerecht zugleich) und das Reden Jesu vom "Reich Gottes"(also den Zustand ohne Sünde, Leid und Tod) , dass er für schon angebrochen, aber noch nicht vollendet erklärt. Zur Vollendung dieses Reiches brauch es sowohl die Menschen, die Jesu Weg(Also den Weg der Nächsten - und Feindesliebe) gehen, als auch "Gottes Führung"(Ein Christ sollte also weder die Haltung einnehmen "Papa wirds schon richten", noch "ohne Gott gehts genauso gut"). Man kann sich also weder ausruhen und sagen, die Sünden werden vergeben also tue ich böses, noch kann man sagen, Gott bestraft mich, wenn ich das und das tue oder lasse. Du bist sozusagen zum "Leben in der Liebe Gottes", (also zum Leben in Liebe zu Gott, dir selbst, deinen Mitmenschen und der Schöpfung(Tier und Natur) ) befreit.


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Allein die unterschiedlich wiedergegebenen letzten Worte Jesu (s. weiter oben), insbesondere das völlige Fehlen zeitgenössischer Schriften eines so bedeutsamen Mannes belegen ja, dass das „neue an den Evangelien“ erst nach und nach entstand. Damit wird auch klar, dass das Werk und Wirken Jesu, wie es in der Bibel steht, nicht mit dem vergleichbar ist, was später daraus entstand. Jesus wollte keine Kirche gründen, wollte keinen Vertreter Gottes auf Erden, wollte keine kirchlichen Reichtümer usw. usf. Trotzdem beruft sich alle (christliche) Welt auf Jesus.
Auf Konzilen trafen sich Kirchenmänner und beschlossen die Lehre der Dreifaltigkeit, dass also Gott in dreifacher Gestalt auftritt. In der Bibel ist davon wohlgemerkt weit und breit nichts zu lesen. Die katholische Kirche formulierte die Trinitätslehre schließlich als Dogma und bestätigt sie im 4. Laterankonzil 1215.
Das Fehlen zeitgenössischer Schriften(bis auf eine "Logienquelle" mit Jesusworten, die dem Verfasser des MArkusevangeliums vorgelegen haben soll) hängt damit zusammen, dass die ersten Christen bis einige Zeit nach der Zerstörung des jüdicshen Tempels durch die Römer(70 n.Chr.) glaubten, Jesus werde zu ihrer Lebzeit wiederkommen. Erst, als die ersten starben machte man sich daran, Dinge für die Nachwelt festzuhalten. Während Leben und Lehre Jesu relativ umfassend dargelegt sind, ist die Frage der Bedeutung von Tod, Auferstehung und Himmelfahrt oft eher knapp und damit auch bis heute eine der umstrittensten Fragen der Christenheit.

Die Entstehung christlicher und kirhclicher Lehren ist in der Tat kompliziert und war äußerst umstritten(was die Spaltung von Katholiken und Orthodoxen brachte) und auch nicht unproblematisch. Die westliche Kirche geht zwei weitrecihende und zum Teil äußerst problematische "Ehen" ein: erst mit der griechischen Philosophie, später mit dem römischen Thron. Hieraus folgen zum einen die in Evangelien und altem Testament schwerlich zu findende strikte Trennung von Leib und Geist sowie die Verteufelung des erstgenannten. Zum zweiten die Vermischung von Christentum und Macht. Die Folgen sind bekannt. Die nächste große Spaltung ist die Reformation Luthers und Calvins, die daran großen Anstoß nimmt. Trotzdem gelingt es dem Protestantismus lange Zeit nicht, sich von Macht und Machtansprüchen zu lösen.
Um diese Verquickung geht es bekanntlich auch in "Stück vom Himmel", allerdings sind George Bush und Tony Blair nicht gerade die typischen Kirchenvertreter und werden, wie Glitzerndes Meer schonmal geschrieben hat, von diesen meist äußerst kritisch gesehen.

Ein Problem, dass die Globalisierung mit sich bringt ist, dass Menschen Angst vor vielem haben und sich deshalb in religiöse Scheinwelten flüchten mit festen, äußerst strengen Regeln etc. Das führt oft zu religiösem Separatismus. Dieser ist meiner Ansicht nach(und Herbert hat ja auch so Statements gebracht) das Hauptthema von "Lied Eins". Aber zum Beispiel der Präsident des Evangelischen Kichentages hat gerade wieder gesagt, das wichtige Thema, dem sich die Religionen und der interreligiöse Dialog stellen müssen, ist das Herausarbeiten von religionsübergreifenden Werten zum Wohle der Menschen. Hier ist es in der Tat(da stimmen wir ja überein) sehr richtig, die religiösen Institutionen daran zu erinnern, dass ihre Macht absolut zweit - drittrangig ist. Religions- und Kirchenkritik ist gerade den Gläubigen und Kirchenmenschen hilfreich, wenn sie(die Kritik) angemessen geäußert wird und nicht polemisierend beleidigt. Dann wehrt man sich schnell und vergisst, den Inhalt der Kritik(der ja dann auch gut versteckt ist) zu suchen.
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