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Alt 15.07.2017, 09:31   #2
Valerio
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Valerio befindet sich auf einem aufstrebenden Ast
AW: 17.06.2017 Herbert bei "Hausmusik" im Berliner Ensemble

Ist jetzt schon wieder 4 Wochen her und immer noch so präsent - einer dieser Abende, die einfach nachwirken, egal was man zwischendurch alles erlebt hat.
Wollte damals gleich hier darüber berichten, aber dann gab es Probleme bei der Aktivierung meines Kontos, und dann fehlte wieder die Zeit, also hab ich den Bericht erstmal bei Facebook zwischengeparkt, wo er auch umgehend auf der Fanseite geteilt wurde - danke Nicole!

Der Vollständigkeit halber und für die Nicht-FBler möchte ich ihn mit "leichter" Verspätung aber doch auch hier noch mal mit reinstellen, denn dafür war er ja eigentlich gedacht, und ein "offizielles" Presse-Echo auf die Veranstaltung scheint es merkwürdigerweise nicht wirklich gegeben zu haben, nicht einmal in den regionalen Boulevardblättern. Verstehe wer will...


Hausmusik mit Herbert

Ein vor Begeisterung komplett ausgeflipptes Publikum feierte gestern Abend im bis unters bebende Dach restlos ausverkauften Berliner Ensemble mal wieder Abschied. Was da relativ unspektakulär als "Hausmusik" und Rücklick auf Herbert Grönemeyers Bühnenmusiken für das Haus zum Ende der Ära Peymann angekündigt war (unter Mitwirkung des Komponisten immerhin), entpuppte sich als finaler und unwiederbringlicher Triumphzug einer der vielleicht glücklichsten und beglückendsten Symbiosen von Hoch- und Popkultur überhaupt.
Geboten wurde ein dramaturgisch effektvoll austariertes Schauspielkonzertprogramm zwischen Verweile-doch-Zurücklehnmomenten, Gib-dem-Affen-Zucker-Showeinlagen und kollektiver Party, die sich 1:1 in den Saal übertrug und in buchstäblich ohrenbetäubenden Standing Ovations mündete. Die gefühlte Hälfte des gebotenen Repertoires gab es dann entsprechend noch einmal im ausufernden Zugabenteil.
Zu erleben war überwiegend die Besetzung der jüngst abgespielten FAUST-Inszenierung von Robert Wilson, u.a. mit dem trotz unterdurchschnittlicher Körperlänge nicht nur stimmlich überragenden "Mephisto" Christopher Nell. Aus dem alten LEONCE & LENA-Kader von 2003 waren nur noch die BE-Stammkräfte Stefan Kurt und Axel Werner dabei, aber auch inzwischen verstorbene Kollegen wie der unvergessene Walter Schmidinger wurden angemessen gewürdigt.
Grönemeyer selbst hielt sich im ersten Drittel noch im Hintergrund, hatte dann ein schönes Solo mit Streichquartett zu einem von Wilson sträflicherweise abgelehnten FAUST-Outtake, bevor ihm später noch ein Klavier auf die Bühne geschoben wurde für den im Original einst von Nina Hoss intonierten „Lena“-Song mit atemberaubender Cello-Begleitung. Knallroter Gänsehautalarm!
Ab da blieb er dann auch im Chor und kleineren Ensemle-Nummern wie dem grandiosen Leonce/Valerio-Duett mit Stefan Kurt durchgehend präsent, bis zum Ende hin endgültig die Rampensau in ihm siegte und er mehr oder weniger die Regie übernahm – sehr zur allgemeinen Erheiterung und sichtlichen Freude aller Beteiligten, einschließlich seiner eigenen, was irgendwie auch was Rührendes hatte.
Die glänzend aufgelegte Haus-Band bildete dabei das solide Fundament eines in all seiner leidenschaftlich improvisierten Unvollkommenheit einmaligen Abends, der nicht nur beinharten Grönemeyer-Fans als Sternstunde in Erinnerung bleiben dürfte.
Zumindest eine CD-Einspielung der musikalischen FAUST-Highlights analog zum seinerzeit produzierten LEONCE & LENA-Soundtrack mit dem Komponisten als Erzähler sollte im Interesse der Nachwelt bitte unbedingt noch drin sein!
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