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Alt 22.12.2003, 22:12   #51
Claudia69
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Claudia69 wird schon bald berühmt werden
ist zwar jetzt wohl ein bißchen offtopic, aber ich hab hier einen ganz guten artikel zum leidigen thema silvester...

DIE ZEIT

49/2003


Sitten & gebräuche

Die Uhr tickt

Jetzt gehen wieder die Fragen nach den Sylvesterplänen los

Von Mark Spörrle

Was, ja was, fragt man sich jetzt wieder und wird man sich in den nächsten Wochen mit zunehmender Panik fragen, was mache ich nur Silvester? Zumal Silvester der unberechenbarste Tag des Jahres ist, weil niemand sich vorher festlegen will, um ja nicht die einzigartige Gelegenheit zu verpassen, die sich kurz vorher noch ergeben könnte. So geht es jedes Jahr, und deswegen ist es sinnvoll, sofort mit den Vorbereitungen zu beginnen.

Besprechen Sie sich als Erstes mit den vielen Freunden, die beim letzten Jahreswechsel angeblich auf stinklangweiligen Partys waren und deshalb dieses Mal in kleinem Kreis mit Ihnen kochen, essen und feiern wollten. Alle werden nach wie vor begeistert sein und alles Weitere kommende Woche besprechen wollen. Im Laufe dieser Gespräche haben Sie sicher von zwei, drei konkurrierenden Essen erfahren. Bringen Sie sich auch dort durch einen Anruf (»Ich habe von einem tollen Job gehört und dachte zuerst an dich«) in Erinnerung und lassen Sie einfließen, dass Sie Silvester noch nichts vorhätten und dass das Mousse-au-Chocolat-Geheimrezept Ihrer Mutter (das Sie nur zubereiten, nicht verraten dürften) der absolute Knaller sei. Rufen Sie dann die Veranstalter der Feste an, auf denen Ihre Freunde waren. Schwärmen Sie, Sie hätten so viel Gutes gehört und wollten dieses Mal unbedingt mit ihnen feiern – es gebe doch wieder ein Fest? (Behaupten Sie, Sie könnten aus der Auflösung Ihres Weinkellers etliche Flaschen feinen Bordeaux beisteuern.) Sollten Sie jetzt schon viele Einladungen haben: Sagen Sie niemals nein!

Eine Woche später freuen sich Ihre Freunde nach wie vor, mit Ihnen zu feiern, aber das Kind hat eine Erkältung, die man nur noch abwarten muss, oder der Chef hat eine mögliche Einladung angedeutet, falls ihm Gäste abspringen, und man muss ihm nur noch absagen. Streichen Sie die Leute mit den dümmsten Ausreden von Ihrer Liste, melden Sie sich bei den Party-Veranstaltern (»Ich hab gezählt: Zwanzig Flaschen kann ich mitbringen«), und buchen Sie im Reisebüro einen Jahreswechsel in der Karibik oder Silvester in den Bergen (im Zweifelsfall beides – Sie haben doch eine Reiserücktrittsversicherung?!). Rufen Sie noch Verwandte und alte Schulfreunde an, und sagen Sie bei jeder Gelegenheit grundsätzlich zu, auch beim Peterabend des Skatvereins oder beim Grillfest mit Mundharmonika und Ihrem tauben Onkel.

Fragen Sie in der dritten Woche Ihre Freunde, ob das Kochen und Essen noch steht. Zählen Sie die Sekunden, bevor sie »Aber natürlich!« rufen. Streichen Sie die, bei denen es mehr als zwei Sekunden dauert, von der Liste. Kündigen Sie den Party-Veranstaltern an, dass Sie bald den Wein vorbeibringen und dass Ihre Cousinen, Models aus New York, Silvester noch nichts vorhätten. Gehen Sie anschließend Ihr Adressverzeichnis durch, rufen Sie alle an, mit denen Sie noch nicht gesprochen haben, und kündigen Sie ein eigenes Fest an (laden Sie auch Ihren Arzt ein, wenn er Ihnen Atteste für die Reiserücktrittsversicherung schreibt).

Überlegen Sie die letzten Tage vor Silvester ganz ruhig, was Sie wirklich wollen (nervt Sie das ständig klingelnde Telefon, ziehen Sie den Stecker). Sie werden sich nicht entscheiden können.

Also bleiben Sie zu Hause. Kochen Sie etwas Leckeres, und setzen Sie sich vor den Fernseher.

Wenn Sie es kurz vor Mitternacht nicht mehr aushalten, gehen Sie auf die Straße. Und denken Sie sich ein paar Ausreden aus. Sie werden dort all die anderen treffen. Wie jedes Jahr.
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dreh dich um
dreh dich um
dreh dein kreuz in den sturm
geh gelöst, versöhnt, bestärkt,
selbstbefreit den weg zum meer
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